Zahnärztliche Mitteilungen Nr. 18
zm 111, Nr. 18, 16.9.2021, (1731) myxoid oder auch chondroid [Riede und Weyer, 2009]. Die Standardtherapie des Warthin- Tumors ist die vollständige chirur- gische Resektion, meist in Form einer oberflächlichen Parotidektomie [Klussmann et al., 2006] oder einer subkapsulären Enukleation. Die Rezi- divrate nach chirurgischer Therapie ist mit 2,5 bis 5 Prozent gering, das Risiko eines Rezidivs steigt bei unvoll- ständiger Entfernung oder Multi- zentrizität [Eveson et al., 2000]. Das im Patientenfall geschilderte Auf- treten einer Multizentrizität wird bei etwa zwölf Prozent der betroffenen Patienten mit einem Warthin-Tumor beschrieben [Palma et al., 2009] und sollte Anlass zur Verkürzung der Recallintervalle geben, um dem er- höhten Rezidivrisiko Rechnung zu tragen. Die im vorliegenden Fall ebenfalls be- schriebene MNOH ist für gewöhnlich eine Läsion der Glandula parotis und tritt in der Regel selten in anderen Unterkieferspeicheldrüsen auf. Sie macht 0,1 Prozent der Ohrspeichel- drüsenerkrankungen aus und wird meist nach dem sechsten Lebensjahr- zehnt diagnostiziert [Strassburger et al., 1999; Goyal et al., 2007]. Risiko- faktoren für die Entstehung einer MNOH sind nicht bekannt. Eine MNOH ist eine gutartige Läsion, je- doch besteht bei Bestrahlung (zum Beispiel im Rahmen der Behandlung eines Mundhöhlenkarzinoms) das Risiko einer radioinduzierten mali- gnen Transformation [Lidang-Jensen, 1989]. Klinisch tritt eine MNOH als schmerzlose Schwellung der Glandula parotis auf, die meist zufällig ent- deckt wird. Bei der Untersuchung der Parotis wird diese als derb, nicht druckdolent und verschieblich beschrieben. Zu den üblicherweise angewendeten bildgebenden Unter- suchungsverfahren zur Abklärung zählen die Sonografie und das CT. Zur Abgrenzung des häufigeren pleo- morphen Adenoms und des Warthin- Tumors kann eine Biopsie mittels Feinnadeldiagnostik durchgeführt werden. Histopathologisch ist die MNOH durch multifokal auftretende noduläre Zellanhäufungen von On- kozyten in der Drüse gekennzeichnet. Diese Knötchen sind in lobulärer Ver- teilung vorhanden und nicht von einer Kapsel umgeben [Goyal et al., 2007]. Es wird davon ausgegangen, dass ein Metaplasie-bedingter Prozess in den Gang- und Azinusepithelien die Speicheldrüsenläppchen allmäh- lich durch onkozytäre Epithelien er- setzt. Dies führt schlussendlich zur multinodulären tumorähnlichen Neubildung im betroffenen Bereich [Treutlein et al., 2013]. Aufgrund der histologischen Ähnlichkeiten zur onkozytären Neoplasie ist die MNOH als Differenzialdiagnose durch sorg- fältige histologische Sicherung abzu- grenzen. Therapie der Wahl ist die chirurgische Exzision im Gesunden. Bei einer Teilresektion ist mit Rezidi- ven zu rechnen. Die onkozytären Lä- sionen sind strahleninsensitiv [Esser und Kosmehl, 2012]. Bei unklaren Veränderungen der großen Speicheldrüsen kann es trotz sehr geringer Wahrscheinlichkeit zu unerwarteten Kombinationen von Diagnosen kommen. Bei erfolgreicher Exzision der Raumforderungen und regelmäßigem Recall zur Nachsorge besteht für betroffene Patienten eine langfristig gute Prognose. \ FAZIT FÜR DIE PRAXIS \ Sollte bei der zahnärztlichen Untersuchung eine Beeinträchtigung des N. facialis auftreten, kann dies ein Hin- weis auf eine maligne Raumforderung im Bereich der Glandula parotis sein. \ Bei Schwellungen im Bereich der Glandula parotis kommen neben den pleomorphen Adenomen und Warthin- Tumoren auch seltene Differenzial- diagnosen wie die MNOH infrage. \ Ein gleichzeitiges Vorkommen von Tumoren der Speicheldrüsen unterschiedlicher Art ist durchaus möglich. Diagnostisch sollte daher bei der Abklärung von Speicheldrüsen- tumoren auch eine Untersuchung der anderen paarigen Speicheldrüsen erfolgen. Abb. 4: Intraoperativer Situs bei subtotaler Parotidektomie des zentralen Drüsenanteils: Die drei Hauptäste des N. facialis sind präparatorisch isoliert, Restanteile der Drüse sind über den Vorderrand des M. sternocleidomastoideus nach kaudal geklappt (diese wurden später noch entfernt). Foto: Bildarchiv MKG, UK Erlangen DR. MED. ELISABETH GOETZE Mund-, Kiefer- und Gesichtschirurgische Klinik, Universitätsklinikum Erlangen Glückstr. 11, 91054 Erlangen Foto: MKG, UK Erlangen ZAHNMEDIZIN | 85
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