Zahnärztliche Mitteilungen Nr. 19
zm 111, Nr. 19, 1.10.2021, (1784) AFGHANISTAN Hilfe leisten unter den Taliban? Nach der Machtübernahme der radikal-islamistischen Taliban hat sich die Lebenssituation der Menschen in Afghanistan extrem verändert. Die Deutsche Cleft Kinderhilfe und Shelter Now International haben immer noch Zahnärzte und Chirurgen im Land. Aber können die ihre humanitäre Arbeit fortführen? S helter Now International (SNI) ist in Afghanistan weiterhin durch lokale Mitarbeiter vertreten. Nur das Zentral-Büro in Kabul musste wegen der aktuellen Sicherheitslage geschlossen werden. Die Regionalbüros in Faizabad und Herat arbeiten dagegen eingeschränkt weiter. Wichtige Leistungen, wie die zahnmedizinische Versorgung von Frauen und Kindern, die Verpflegung von Waisen und die Verteilung von Lebensmitteln, führt SNI als Partner vom Welternährungsprogramm (WFP) weiter durch. „Die Behandlungen reichen vom schmerzfreien Ziehen von nicht mehr erhaltungswürdigen Zähnen bis zur Ver- sorgung von schweren traumatischen Gesichtsverletzun- gen – häufig durch Motorradunfälle oder Schussverletzun- gen – und schwersten Abszessen im Kieferbereich, die un- behandelt oft zur Sepsis und zum Tod führen“, berichtet SNI-Projektleiter Ewald Göttler. Unter den Kindern und jungen Erwachsenen gebe es durch zu viel Zuckergenuss, mangelnde Mundhygiene und fehlende Behandlungsmöglichkeiten zudem ein großes Kariesproblem. Dieser Umstand führe oft schon in jungen Jahren zum Verlust einer großen Anzahl von Zähnen und mache vielfach Wurzelbehandlungen bereits vor dem 20. Lebensjahr nötig, führt Göttler aus. „Unter den derzeitigen Umständen finden diese notwendigen Behandlungen aber nicht statt.“ DAS GRÖßTE PROBLEM: DIE KONTEN SIND EINGEFROREN „Die Helfer und Ärzte vor Ort stehen stark unter Druck – vor allem die Frauen“, erzählt er. „Als Teil des öffentlichen Gesundheitswesens müssen sie zur Arbeit erscheinen. Als Angestellte einer internationalen NGO wissen sie nicht, ob sich die neue Regierung feindlich gegen sie stellen wird. Diese Spannung ist schwer auszuhalten.“ Einige Hilfsprojekte würden zwar durch Kollegen weiter- geführt. Die größte Herausforderung sei aber der Um- stand, dass die Konten eingefroren sind und die Banken kein Geld für Auszahlungen haben. Nur Privatleute be- kommen einen kleinen Betrag von etwa 150 Euro am Tag. „Wir können also nur so lange weitermachen bis unsere Barreserven vor Ort aufgebraucht sind, die Bankguthaben In Afghanistan werden pro Jahr rund 2.500 Kinder mit Lippen-Kiefer-Gaumenspalte geboren. Foto: Deutsche Cleft Kinderhilfe e.V. 10 | GESELLSCHAFT
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