Zahnärztliche Mitteilungen Nr. 19
zm 111, Nr. 19, 1.10.2021, (1790) reste, die in der Mundhöhle vor- handen sind, tragen ebenfalls zum Speichelproteom bei.“ [Uchida et al., 2021]. Als Funktionen benennen die Auto- ren nur einige grundsätzliche – Be- feuchtung, Schutz und Reinigung, Unterstützung beim Sprechen und Schlucken, Pufferfunktion durch Bi- carbonat, Pellikelbildung, Zahnmine- ralisierung, antimikrobielle Aktivität, Gewebereparatur sowie Geschmack und Verdauung. Der Schwerpunkt der Übersichtsarbeit liegt aber auf neuen Erkenntnissen, daher werden die oben genannten Punkte nicht ausgeführt. Wie wichtig die Funktionen des Spei- chels sind, wird besonders deutlich, wenn die Produktion gestört ist. Eine Xerostomie kann unter anderem als Folge einer Radiotherapie bei Kopf- Hals-Tumoren auftreten oder durch Medikamente hervorgerufen werden. Angeborene oder erworbene Erkran- kungen wie das Sjögren-Syndrom, das Down-Syndrom, Diabetes oder Depressionen können ebenfalls ur- sächlich sein. Eine erhöhte Karies- anfälligkeit, ein schlechter Prothesen- halt und Geschmacksstörungen sind nur einige Folgen einer Xerostomie. IMMUNABWEHR UND WUNDHEILUNG Die Bestandteile des Speichels spielen eine entscheidende Rolle bei der Im- munabwehr. Die Autoren benennen einige der unzähligen antimikrobiel- len Proteine und Peptide. Zu den wichtigsten zählen unter anderem Defensine, Lysozyme, Cystatine, Cathelicidine, Histatine und Lacto- ferrine. Lysozyme können beispiels- weise die bakteriellen Zellwände hy- drolysieren und „endständige Sialin- säuren der Mucine fördern die bakte- rielle Aggregation und die Beseiti- gung von Bakterien aus der Mund- höhle [...]“ [Uchida et al., 2021]. His- tatine wirken fungizid und antibakte- riell und spielen eine Schlüsselrolle bei der intraoralen Wundheilung. Speichel enthält überdies Immunglo- buline, wobei insbesondere eine er- niedrigte Konzentration des Immun- globulin A mit der Entstehung paro- dontaler Erkrankungen in Verbindung gebracht wird. Viele der oben ge- nannten Speichelbestandteile sorgen unter anderem dafür, dass die intra- orale Wundheilung häufig schnell und komplikationslos verläuft, wobei der Speichel gleichzeitig den Wund- bereich stetig hydriert. Bei der Nahrungsaufnahme dient der Speichel nicht nur der Andauung der Nahrung, sondern moduliert auch die Geschmackswahrnehmung. So sind laut den Autoren Variationen der Menschen in der Geschmacks- wahrnehmung unter anderem in der unterschiedlichen Zusammensetzung des Speichels begründet. Hier spielen vor allem Hormone (Leptin, Insulin, Ghrelin, Glucagon) und Enzyme eine Rolle, letztere durch Proteolyse von Nahrungsproteinen, wobei bei verän- derter Enzymexpression Geschmacks- störungen die Folge sein können. Diese können auch bei vermindertem Speichelfluss durch eine Schädigung der Geschmacksrezeptoren auftreten. Die Autoren erwähnen weiterhin, dass neuere Studien sogar auf eine sechste Art von Geschmacksrezeptoren hin- weisen, der neben Saurem, Salzigem, Süßem, Bitterem und umami auch freie Fettsäuren erkennen soll. SPEICHEL ALS DIAGNOSTISCHES HILFSMITTEL Speichel kann als diagnostisches Hilfsmittel für systemische oder intraorale Erkrankungen dienen. Der größte Vorteil liegt auf der Hand: Speichelproben sind nicht invasiv und können sogar selbst durchge- führt werden. Die Autoren fassen die wichtigsten Aspekte zusammen: \ Speichel spielt eine wichtige Rolle bei der Kariesentstehung. Es liegt deshalb nahe, dass die Pufferkapa- zität und die Zusammensetzung als Prädiktoren für ein individuelles Kariesrisikoprofil herangezogen werden können. \ In der Parodontologie werden Zytokin-Konzentrationen gemes- sen, deren Erhöhung als Marker für Gewebedestruktion dienen können. So ist unter anderem die Konzentration von Matrix- Metalloproteinasen (MMP-8) bei einer Parodontitis erhöht. Die Bestimmung von MMP-8 in der Sulkusflüssigkeit ist deshalb ein etabliertes Verfahren. Dafür stehen seit Langem schnell durchführbare Chairside-Tests zur Verfügung. Eine erhöhte Konzentration kor- reliert positiv mit einer Gewebe- destruktion. \ Die Autoren erklären weiterhin, dass bereits über 100 Biomarker für Karzinome der Mundhöhle vorgeschlagen wurden. Dabei seien allerdings die meisten Ent- zündungsmarker auch bei anderen Erkrankungen erhöht und deshalb zu unspezifisch. \ Auch für die Diagnose von syste- mischen Erkrankungen gebe es „umfangreiche Bemühungen um neue Speichel-Biomarker für das Sjögren-Syndrom, neurologische Erkrankungen, Frühdiagnose der Alzheimer-Krankheit, Diabetes, Herz-Kreislauf-Erkrankungen und Autoimmunerkrankungen“ [Uchida et al., 2021]. \ Auch der Zusammenhang zwischen Diabetes und Parodontitis lege eine Identifikation von Speichel- biomarkern nahe, die für beide Er- krankungen nützlich sein könnte. So wurde bereits eine Korrelation von Insulin, Adiponectin oder Resistin im Speichel und im Serum von Patienten festgestellt. \ Ein Zusammenhang zwischen Fettleibigkeit und der Amylase- konzentration im Speichel wurde diskutiert, konnte aber bislang nicht bestätigt werden. \ Cortisol könne als Biomarker im Speichel für psychischen Stress, Angst, Depressionen und Schizo- phrenie bestimmt werden, wobei die Konzentration auch von Faktoren wie Schlafgewohnheiten, Raucherstatus und Medikamenten beeinflusst werden könne. \ Zuletzt hat die Pandemie uns jüngst die herausragende Rolle von Speicheltests für den Nachweis von Viren vor Augen geführt. Neben SARS-CoV-2 können auch andere Viren durch Speicheltests nachgewiesen werden. nl Uchida H, Ovitt CE: Novel impacts of saliva with regard to oral health. J Prosthet Dent. 2021 Jun 14:S0022–3913(21)00273–0. doi: 10.1016/j.prosdent.2021.05.009. Epub ahead of print. PMID: 34140141. 16 | ZAHNMEDIZIN
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