Zahnärztliche Mitteilungen Nr. 19

zm 111, Nr. 19, 1.10.2021, (1820) Periimplantitis [Mombelli et al., 2012]. Es ist anzunehmen, dass die periimplantäre Mukositis eine Vor- stufe der Periimplantitis darstellt und unbehandelt zur Ausprägung eben dieser führt. Studien haben gezeigt, dass der Übergang von einer peri- implantären Mukositis zur initialen Periimplantitis fließend ist und weder klinisch, radiologisch, mikrobiolo- gisch noch immunologisch eindeutig diagnostiziert werden kann [Klinge/ Meyle, 2012]. Eine weitere Unter- suchung ergab, dass die Behandlung der Mukositis nach zwölf Wochen le- diglich bei 70 Prozent der Patienten zur vollständigen Ausheilung führte [Bunk et al., 2020]. Erschwerend kommt hinzu, dass periimplantäre Erkrankungen im Vergleich zu paro- dontalen Erkrankungen eine höhere Progredienz aufweisen und sich die Therapie nicht einfach darstellt. Aufgrund der stetig steigenden Zahl inserierter Implantate ist damit zu rechnen, dass Zahnarztpraxen auch in Zukunft gehäuft mit der Erken- nung und Therapie periimplantärer Erkrankungen konfrontiert sein wer- den. Somit obliegt es dem zahnärzt- lichen Behandlungsteam, ein beson- deres Augenmerk auf die Erkennung, Vermeidung und Entfernung von Biofilmen auf implantatgetragenen Restaurationen zu richten. Nur so können biologische Komplikationen rechtzeitig bemerkt und behandelt so- wie eine erfolgreiche Langzeittherapie mit Implantaten ermöglicht werden. WELCHE FAKTOREN BEEINFLUSSEN DIE ANHEFTUNG VON BIOFILMEN AUF IMPLANTAT- UND ABUTMENT- OBERFLÄCHEN? Parodontaler Zustand Grundsätzlich beeinflussen der Zahn- status sowie der parodontale Zustand der Restbezahnung die mikrobielle Kolonisation von Implantatober- flächen [Safii et al., 2010]. Das Risiko für die Entstehung periimplantärer Erkrankungen ist bei parodontal vorerkrankten Patienten signifikant höher als bei parodontal Gesunden [Safii et al., 2010]. Zwar konnten in vielen Studien parodontale Pathogene auf implantären Oberflächen nachge- wiesen werden [Mombelli/Décaillet, 2011], jedoch sind Bakterien, die mit der Entstehung von Parodontitis assoziiert werden, nicht zwangsläufig auch an der Entstehung periimplan- tärer Erkrankungen beteiligt. Insge- samt sind sowohl Biofilme auf Im- plantat- als auch auf Zahnoberflächen sehr komplex und sollten als separate Ökosysteme angesehen werden. Her- vorzuheben ist hierbei, dass die Peri- implantitis in aller Regel eine schnel- lere Progredienz zeigt als die Paro- dontitis [Dhir et al., 2013]. Allgemein gilt, dass eine prothetische Rehabili- tation mit Implantaten nur bei paro- dontal stabilen Verhältnissen in Er- wägung gezogen werden sollte. Werkstoff – Implantat Klassischerweise werden Implantate nach wie vor aus Titan gefertigt. Titan- implantate zeichnen sich durch eine gute mechanische Stabilität sowie eine hervorragende Biokompatibilität und Osseointegration aus. Als metall- freie Alternative werden mittlerweile auch verschiedenste ein- oder zwei- teilige Keramik-Implantatsysteme auf dem Dentalmarkt angeboten. Übli- cherweise handelt es sich hierbei um Zirkoniumdioxidkeramiken. Neben einer guten Biokompatibilität weisen diese eine mit Titanimplantaten ver- gleichbare Osseointegration auf [Gross et al., 2021]. Weiterhin sind Implan- tate aus Polyaryletherketonen (PAEK; zum Beispiel WIN! PEEK, Champions- Implants GmbH) sowie Titan-Zirko- nium-Legierungen erhältlich (zum Beispiel Roxolid, Straumann). Bei Letzteren handelt es sich um binäre Hybrid-Legierungen, die zu rund 85 Prozent aus Titan und zu 15 Prozent aus Zirkonium bestehen und die positiven Eigenschaften beider Werk- stoffe in einem Implantatmaterial vereinen sollen. Die Pellikel- und Biofilmbildung auf Implantatoberflächen erfolgt ähnlich wie die auf Zähnen. Allerdings ist die Zusammensetzung der Pellikel auf Implantatoberflächen abhängig vom Material. Es kommt zu einer selekti- ven Adhäsion von Pellikelproteinen in Abhängigkeit von deren Affinität zur Substratoberfläche, wodurch die Oberflächeneigenschaften durch die Pellikel zumindest teilweise hindurch übermittelt werden (sogenannter Durchscheineffekt). Somit unter- scheidet sich auch der Einfluss der Pellikel auf die nachfolgende Anbin- dung von Mikroorganismen je nach Oberflächeneigenschaften [Teughels et al., 2006]. Eine brasilianische For- schungsgruppe identifizierte im Rah- men einer Laboruntersuchung die Pellikelzusammensetzungen auf Ti- tan, Zirkoniumdioxid und Hydroxyl- apatit. Während die Pellikelkomposi- tion und folglich die bakteriellen Bin- dungseigenschaften von Titan und Zirkoniumdioxid ähnlich waren, zeigten beide Materialien im Ver- gleich zu Hydroxylapatit signifikante Unterschiede [Lima et al., 2008]. Grundsätzlich sind die Ergebnisse aus Untersuchungen periimplantärer Pel- likel und Mikroorganismen sehr hete- rogen und teilweise widersprüchlich [Sahrmann et al., 2020]. Dies liegt nicht zuletzt daran, dass eine Vielzahl unterschiedlicher Methoden zur Untersuchung von Mikroorganismen zur Verfügung steht, deren Ergebnisse kaum miteinander vergleichbar sind [Padial-Molina et al., 2016]. Weiterhin sind Erkenntnisse aus Laborunter- suchungen nicht zwingend in die Kli- nik übertragbar. Die für klinische Stu- dien erforderlichen Probeentnahmen aus meist engen periimplantären Ta- schen gestalten sich häufig schwierig. Hierfür werden sterile Papierspitzen verwendet, die meist nur planktonisch ZM-LESERSERVICE Die Literaturliste kann auf www.zm-online.de abgerufen oder in der Redaktion ange- fordert werden. PROF. DR. MED. DENT. SEBASTIAN HAHNEL Poliklinik für Zahnärztliche Prothetik und Werkstoffkunde, Universitätsklinikum Leipzig Liebigstr. 12, Haus 1, 04103 Leipzig Foto: Stefan Straube 46 | ZAHNMEDIZIN

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