Zahnärztliche Mitteilungen Nr. 19

zm 111, Nr. 19, 1.10.2021, (1822) verfügbare Mikroorganismen aufneh- men können und daher keine Unter- suchung typischer, in Biofilmen orga- nisierter Bakterien zulassen. Darüber hinaus können nur Mikroorganismen identifiziert werden, nach denen ge- zielt gesucht wird. Bisher konzentrier- ten sich viele Studien auf die Detek- tion typischer parodontalpathogener Mikroorganismen in periimplantären Taschen. Zwar scheinen parodontal- pathogene Keime an der Entstehung periimplantärer Entzündungen betei- ligt zu sein, jedoch wurden auch ver- mehrt andere, mit parodontaler Ge- sundheit assoziierte oder untypische Bakterienstämme in entzündeten peri- implantären Taschen nachgewiesen [Lafaurie et al., 2017]. Gegenwärtig ist eine evidenzbasierte Schluss- folgerung hinsichtlich der für peri- implantäre Gesundheit beziehungs- weise Krankheit typischen oder mate- rialspezifischen Mikroorganismen nicht abschließend möglich. Werkstoff – Abutment Da das Abutment der Bestandteil der implantatgetragenen Versorgung ist, der mit der Mundhöhle in Berührung kommt und in vielen Fällen in ausge- dehntem Kontakt mit der Gingiva steht, ist dessen Oberfläche für die Anheftung von Biofilmen von großer Bedeutung. Dies gilt in besonderem Maß für Restaurationen auf Knochen- niveau. Als mögliche Abutmentmate- rialien kommen Titan, Zirkonium- dioxid, PAEK und – insbesondere für provisorische Versorgungen – Poly- methylmethacrylat (PMMA) zum Einsatz (Abbildung 2). Die Ergebnisse bisheriger Untersuchungen hinsicht- lich der Biofilmformation auf Abut- mentwerkstoffen sind widersprüch- lich. Während Zhao et al. bei einer Laborstudie mehr Biofilmanheftung auf Zirkoniumdioxid- als auf Titan- oberflächen nachwiesen, zeigten Degidi et al. klinisch stärkere Biofilm- bedingte Entzündungsprozesse um Titan- als um Zirkoniumdioxidober- flächen [Zhao et al., 2014; Degidi et al., 2006]. Ein möglicher Grund kann die unterschiedliche Verarbeitung der in den Studien verwendeten Materia- lien sein. Somit lässt sich mutmaßen, dass weniger die Zusammensetzung eines Abutmentmaterials als vielmehr seine Oberflächenbeschaffenheit eine entscheidende Rolle für die Anhef- tung von Biofilmen spielt. Allerdings ist die Datenlage auch diesbezüglich uneinheitlich. Eine Forschungsgruppe konnte im kli- nischen Setting nachweisen, dass ge- frästes Titan und gefrästes Zirkonium- dioxid weniger Biofilmanheftung an deren Oberflächen zeigten als ge- gossenes Titan [Do Nascimento et al., 2014]. Eine andere klinische Unter- suchung stellte keine signifikanten Unterschiede in der Bioadhäsion auf Titan- und Zirkoniumdioxidabutments bei vergleichbarer Oberflächenrauigkeit fest [van Brakel et al., 2011]. Studien zur Biofilmakkumulation auf PAEK- Werkstoffen sind noch rar. Wenige Untersuchungen im Labor und in der Klinik geben jedoch Hinweise darauf, dass die Anzahl an Mikroorganismen auf PAEK mit der auf Zirkoniumdioxid und Titan vergleichbar ist [Hahnel et al., 2015; Volpe et al., 2008]. Werkstoff – Exkurs Material- weiterentwicklungen Die Oberflächeneigenschaften des Implantat- und Abutmentmaterials spielen für die Osseointegration, das epitheliale Attachment sowie die Bio- filmadhäsion eine bedeutende Rolle. Vereinfacht kann man festhalten, dass raue Oberflächen für die Osseo- integration und das epitheliale Attachment von Vorteil sind. Gleich- zeitig können raue Oberflächen mehr Biofilm akkumulieren. Leider kann man jedoch nicht sicherstellen, dass Implantatoberflächen ausschließlich mit menschlichen Gewebszellen in Berührung kommen, da bereits wäh- rend des chirurgischen Eingriffs Mikroorganismen auf die Implantat- oberfläche verschleppt werden kön- nen. Es beginnt ein sogenannter Wettlauf um die Oberfläche zwischen Wirtszellen und Mikroorganismen (Race for the surface). Kommt es im zeitlichen Verlauf zu einem peri- implantären Knochenabbau, der eine Freilegung rauer Implantatoberflächen mit sich bringt, stellen diese in be- sonderem Maß Prädilektionsstellen für die Akkumulation von Biofilmen dar (Abbildung 3). Neben einer möglichst sterilen Ar- beitsweise bei der Implantation gibt es weitere Überlegungen, wie dieser Wettlauf um die Implantatoberfläche durch Wirtszellen gewonnen werden kann. Eine Laboruntersuchung einer finnisch-spanischen Arbeitsgruppe konnte zeigen, dass die Vorbehand- lung der Implantatoberfläche mit hu- manen Zellen eine deutliche Reduk- tion der bakteriellen Besiedlung im Vergleich zu nicht vorbehandelten Implantaten bewirkte [Pérez-Tanoira et al., 2017]. Eine Reduktion der Bak- terienadhäsion zeigten auch mit Ti- Abb. 2: Abutments aus Titan, Zirkoniumdioxid, Polyaryletherketon (genauer: Polyetheretherketon) und Polymethylmethacrylat (von links nach rechts) Foto: Elena Günther RONALD LÜDTKE Poliklinik für Zahnärztliche Prothetik und Werkstoffkunde, Universitätsklinikum Leipzig Liebigstr. 12, Haus 1, 04103 Leipzig Foto: Ingolf Riemer 48 | ZAHNMEDIZIN

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