Zahnärztliche Mitteilungen Nr. 19
zm 111, Nr. 19, 1.10.2021, (1824) Wirkstoff verbraucht. Zudem können durch Wirkstofffreisetzung Porositäten innerhalb des Werkstoffs entstehen, die wiederum die mechanischen Eigenschaften negativ beeinflussen können. Antibakterielle Beschichtun- gen wie beispielsweise Antifouling- Polymerbeschichtungen wirken wie- derum entweder kontaktabtötend oder hemmen die Adhäsion und Ver- mehrung von Mikroorganismen. Zwar können durch äußere Einflüsse diese Beschichtungen mit der Zeit abgetra- gen oder inaktiviert werden, jedoch haben sie den Vorteil, wieder aufge- tragen beziehungsweise durch eine spezielle Behandlung reaktiviert wer- den zu können [Ramburrun et al., 2021; Wu et al., 2021]. Kommt es infolge periimplantärer Infektionen zur Freilegung rauer, ehemals mit Knochen bedeckter Implantatober- flächen, so könnte der Auftrag anti- bakterieller Beschichtungen eine Al- ternative zur Implantatplastik (auch Implantoplastik genannt) darstellen. Auf diese Weise könnten bakterielle Besiedlungen von Implantatober- flächen und die Entstehung Biofilm- assoziierter Erkrankungen minimiert und die Lebensdauer implantatgetra- gener Restaurationen erhöht werden. Der Einsatz antibakterieller Substan- zen sollte jedoch kritisch abgewogen werden, da diese eine Resistenzent- wicklung der Mikroorganismen för- dern können. Zudem muss stets eine Balance zwischen antibakteriellem und zytotoxischem Effekt gefunden werden. Eine Hannoveraner Arbeits- gruppe untersucht gegenwärtig weitere Methoden zur Modifizierung poten- zieller Implantatwerkstoffe. Das Prinzip der sogenannten gleitfähigen, flüssig- keitsdurchsetzten porösen Oberflächen (slippery liquid-infused porous surfaces; kurz SLIPS) wurde nach dem biologi- schen Vorbild der fleischfressenden Kannenpflanze entwickelt. Diese bildet auf dem Saum um die Öffnung ihrer Fallenblätter einen Flüssigkeitsfilm, der ein Anhaften von Insekten verhindert und das Hineingleiten der Beute in die Pflanze fördert. Auf dentalen Werk- stoffen kann eine SLIPS-Oberfläche durch Oberflächenstrukturierung (bei- spielsweise mittels Laserablation), eine chemische Modifizierung und die Zugabe von Gleitmitteln geschaf- fen werden. Zwar konnte auf derart modifizierten Oberflächen eine deut- liche Reduktion bakterieller Adhäsion nachgewiesen werden, gleichzeitig kam es jedoch zu einer starken Hem- mung der Anheftung menschlicher Zellen. Zudem sind teilweise toxische Substanzen für die Herstellung von SLIPS-Oberflächen notwendig, wes- halb dieses Prinzip bisher nicht auf dem Dentalmarkt eingeführt werden konnte [Doll et al., 2017]. Weitere vielversprechende Strategien zur Schaffung antibakterieller Im- plantatoberflächen wurden in der ak- tuellen Übersichtsarbeit einer unga- rischen Forschungsgruppe beleuchtet [Körtvélyessy et al., 2021]. Eine disku- tierte Methode basiert auf der Bin- dung natürlicher antibakterieller Pep- tide (AMP) an Implantatoberflächen. Diese sind in der Lage, sowohl gram- positive als auch gramnegative Bakte- rien zu zerstören. Weiterhin können andere Peptide insbesondere im trans- mukosalen Implantatbereich die An- lagerung von Gingivaepithelzellen und Bindegewebszellen ans Implantat erleichtern. Diese Wirtszellen bilden wiederum AMP, die eine Weich- gewebsversiegelung bewirken und so- mit verhindern, dass orale Bakterien in den apikalen osseointegrierten Anteil des Implantats vordringen [Körtvélyessy et al., 2021]. In der Konsequenz sinkt das Risiko für die Entstehung periimplantärer Infektio- nen. Eine weitere Forschungsgruppe untersuchte und identifizierte Ober- flächenproteine des Staphylococcus epidermidis. Dieser Bakterienstamm ist stark mit periimplantären Infektio- nen vergesellschaftet [Bürgers et al., 2018]. Ziel der detaillierten Analyse des bakteriellen Oberflächenproteoms ist die Entwicklung eines Impfstoffs gegen periimplantäre Infektionen. Implantattypen und -systeme Es lassen sich unterschiedliche Im- plantattypen und -systeme unter- scheiden (Abbildung 4). Implantate, die auf der Höhe des Knochenniveaus enden, bestehen aus einem texturier- ten Körper. Diese „raue“ Oberfläche ermöglicht eine engmaschige Um- bauung des Implantats mit Knochen. Implantate, die auf Gingivaniveau ein- gebracht werden, besitzen zusätzlich zu einem texturierten Körper einen glatt polierten Hals, der auf Schleim- hautniveau endet. Letzterer soll auf- grund der geringen Oberflächen- rauigkeit eine reduzierte Anheftung von Biofilmen erzielen. In diversen Studien wurde ein höherer Knochen- verlust um glatte Implantathälse nach- gewiesen als um raue [Zhang/Yue, 2021; Chappuis et al., 2016; Bratu et al., 2009; Shin et al., 2006]. Fest- halten lässt sich, dass Oberflächen, die mit Knochen in Kontakt kommen, für eine optimale Osseointegration Abb. 4: Schematische Übersicht aktueller Implantattypen und -systeme Quelle: Florian Fuchs 50 | ZAHNMEDIZIN
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