Zahnärztliche Mitteilungen Nr. 19

zm 111, Nr. 19, 1.10.2021, (1848) von Antihypertonika (ACE-Hemmer) und Diuretika (Spironolacton, Thia- zide) zu einer Störung der Speichel- physiologie kommen [Nonzee et al., 2012; Prasanthi et al., 2014]. Der ver- minderte Speichelfluss (Oligosialie) und die daraus resultierende Xeros- tomie können vorübergehend oder dauerhaft orale und systemische Probleme verursachen. Aus der feh- lenden protektiven Wirkung des Speichels resultieren Störungen des ökologischen Gleichgewichts in der Mundhöhle. Sekundär entwickeln sich oft bak- terielle, virale und mykotische Schleimhautinfektionen. Man be- obachtet des Weiteren eine progre- diente Zunahme kariöser Läsionen an Glattflächen, Füllungs- und Kro- nenrändern sowie im Bereich von Wurzeloberflächen [Jaschinski et al., 2009] (Abbildung 2a). Medikamentös induzierte Gingivawucherungen Eine weitere unerwünschte Neben- wirkung der medikamentösen Thera- pie kardiovaskulärer Erkrankungen sind Veränderungen der gingivalen Strukturen. Bei einer blutdrucksen- kenden Medikation mit Kalzium- kanal-Blockern (Nifedipin) kann es zu mehr oder weniger stark ausge- prägten gingivalen Wucherungen kommen [Hassel/Hefti, 1991] (Abbil- dung 3). Die genauen Vorgänge, die zu den medikamentös-indizierten Gingiva- wucherungen führen, sind weitge- hend unbekannt. Deren Pathogenese ist wahrscheinlich multifaktoriell. Unter dem Einfluss von Kalzium- kanal-Blockern kommt es bei Indivi- duen mit entsprechender genetischer Prädisposition nicht nur zu einer ge- steigerten Matrixsynthese, sondern auch zu einer verminderten Degrada- tion der Proteine [Kato et al., 2005; Kanno et al., 2008]. Die Entstehung und die Ausdehnung gingivaler Wucherungen sind abhängig von der Pharmakokinetik, der Dosierung so- wie der Dauer der Medikation, dem zusätzlichen Gebrauch anderer Medi- kamente sowie der Anwesenheit har- ter und weicher Zahnablagerungen und dem gingivalen Entzündungs- zustand [Hall, 1990]. Beide Formen oraler Veränderungen – die mehr oder weniger stark ausge- prägten Verminderungen des Speichel- flusses und die gingivalen Wucherun- gen – bereiten dem Zahnarzt häufig große Probleme. Als Folge der feh- lenden protektiven Wirkung des Speichels können sich kariöse Läsio- nen – besonders im Bereich der Zahn- hälse – 15-mal schneller entwickeln [Jaschinski et al., 2009]. Weiterhin können in fortgeschrittenen Fällen gingivale Wucherungen die Durch- führung der Mundhygiene und die Therapie von kariösen Defekten in unmittelbarer Nähe der Gingiva erschweren. Trotz der bestehenden Schwierigkeiten sollte die vom Haus- arzt, Kardiologen oder Neurologen verordnete Medikation auf keinen Fall eigenmächtig verändert oder gar abgesetzt werden. Stattdessen empfiehlt sich bei beiden Patienten- gruppen eine Intensivierung der Pla- quekontrolle durch eine individuell abgestimmte Instruktion zur Durch- führung der Mundhygiene (MHD) und in kurzen Zeitabständen durch- geführte professionelle Zahnreinigun- gen (Abbildung 2). \ Abb. 3: Medikamentös induzierte gingivale Gewebsvermehrungen bei einem 85-jährigen Patienten mit einer Nifedipin-Medikation Foto: Peter Cichon ZM-LESERSERVICE Die Literaturliste kann auf www.zm-online.de abgerufen oder in der Redaktion ange- fordert werden. DR. CHRISTIAN SPÄTH Zahnklinik Bochum und Therapiezentrum für Zahnbehandlungsangst Bergstr. 28, 44791 Bochum und Externer Lehrbeauftragter der Universität Witten/Herdecke Alfred-Herrhausen-Str. 45, 58455 Witten Quelle: Zahnklinik Bochum 74 | ZAHNMEDIZIN

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