Zahnärztliche Mitteilungen Nr. 19
zm 111, Nr. 19, 1.10.2021, (1854) AZUBIS MIT AUSLÄNDISCHEN WURZELN IN DER PRAXIS Eine Win-win-Situation Wie erklärt der Patient seine Schmerzen, wenn er nicht gut Deutsch spricht? Schwierig! Gut, wenn die eine oder andere Praxismitarbeiterin übersetzen kann. Dr. Emad Khalouf ist niedergelassen in Berlin, Dr. Olga Weber in Tübingen. Beide setzen in ihren Teams auf Zweisprachigkeit und interkulturelle Verständigung: Sie bilden verstärkt Frauen mit Migrationshintergrund und auch Geflüchtete zur ZFA aus. S eit 18 Jahren stellt Khalouf in seiner Praxis in Berlin-Wedding Auszubildende ein, die einen Migrationshintergrund haben oder nach Deutschland geflüchtet sind. Er berichtet, wie Integration in und durch die Ausbildung funktionieren kann: Seine Erfahrungen sind durch- weg gut. Was er als Chef von seinen Auszubildenden erwartet? „Auf Dis- ziplin lege ich großen Wert. Kommt die von Haus aus nicht mit, bringe ich das innerhalb der ersten drei Mo- naten bei“, sagt er augenzwinkernd. „Alles andere läuft dank des Engage- ments der Azubis ziemlich gut und harmonisch.“ In der Großpraxis „Zahnzentrum in Berlin“ sind mehr als 20 Mitarbeiter beschäftigt. Der Umgang unter den Azubis sei allgemein sehr gut. „Sie ergänzen sich bei der Arbeit, orga- nisieren sich eigenständig und die meisten sind auch privat befreundet“, erzählt Khalouf. „Ich würde fast sagen, sie sind wie Schwestern zueinander. Aus ihrer Kultur bringen sie den Fa- miliensinn und den Zusammenhalt mit.“ Der Zahnarzt hat syrische Wurzeln, seine Eltern stammen aus Aleppo. Er selbst ist in Berlin geboren, aufge- wachsen und hat hier studiert. Dass er mit beiden Kulturen vertraut ist, erleichtere ihm die Führung seines multikulturellen Teams, meint er. Neben Arabisch und Türkisch wird in der Praxis auch Englisch, Fran- zösisch und Spanisch gesprochen. „So verbessert sich natürlich nach und nach die Sprache“, stellt Khalouf fest. Den nicht deutschsprachigen Patienten richtig zu verstehen und zu beraten, sei im Übrigen auch juristisch wichtig. SO GEHT DIE INVESTITION FÜR BEIDE SEITEN AUF Neben der Ausbildung ermöglicht Khalouf den ZFA auch Weiterbil- dungen, etwa zur Verwaltungsfach- angestellten oder zur zahnmedizi- nischen Prophylaxeassistentin. Ganz wichtig sei ihm, die Azubis zu über- nehmen. „Ich behalte eigentlich alle hier. So geht die Investition für beide Seiten auf.“ Bei unserem Besuch in seiner Praxis stellt er uns zwei seiner Azubis vor: Nour (20) aus Damaskus, die mit ihrer Familie 2015 nach Deutschland floh und nach der Ausbildung gerne noch Zahnmedizin studieren möchte, und Huda (20), eine junge Palästinenserin aus Libyen, die schon immer ZFA werden wollte und auch vom Stu- dium träumt. Beide hatten sich pro- aktiv bei der Praxis beworben. Beide sprechen bereits gut Deutsch, haben aber nach wie vor Respekt vor den sprachlichen Herausforderungen, be- sonders bei zahnmedizinischen Fach- begriffen. Hoda ist noch unsicher , ob ihr ein Studium gelingen wird. Nour Die Auszubildende Nour floh 2015 aus Damaskus und geht beim Praxisbesuch in den Austausch mit dem Vorsitzenden des Vorstands der Bundesagentur für Arbeit, Detlef Scheele (Mitte) und dem Präsidenten des Bundesverbands der Freien Berufe, Prof. Dr. Wolfgang Ewer (r.). Praxischef Dr. Emad Khalouf (l.) ist stolz auf die fleißige junge Frau, die inzwischen fließend Deutsch spricht. HINTERGRUND Mit rund 15,7 Prozent weisen die Freien Berufe seit Jahren den höchsten Anteil an Menschen mit Migrationshintergrund unter allen Ausbildungsbereichen auf. Die Bundes- agentur für Arbeit und der Bundesverband der Freien Berufe haben als Partner der Allianz für Aus- und Weiterbildung in die- sem Jahr den „Sommer der Berufsbildung“ veranstaltet. Im zweiten Jahr der Corona- Pandemie will man gezielt für die duale Berufsausbildung werben und möglichst viele junge Menschen in Ausbildung bringen. Quelle: BFB 80 | PRAXIS
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