Zahnärztliche Mitteilungen Nr. 20

zm 111, Nr. 20, 16.10.2021, (1916) D ie E-Evidence-Verordnung („Europäische Herausgabe- und Sicherungsanordnungen für elektronische Be- weismittel in Strafsachen“) soll es nationalen Polizei- und Justizbehörden ermöglichen, einfacher und rascher auf elektronische Beweismittel wie E-Mails, Chat-Verläufe oder in Clouds gespeicherte Dokumente zugreifen zu kön- nen, die sie für die Ermittlung und Verfolgung von Straf- tätern oder Terroristen benötigen. Die Ermittlungsbehör- den sollen dabei die Befugnis erhalten, Anbieter von Tele- kommunikations- und Internetdienstleistungen in anderen Mitgliedstaaten der EU und in Drittstaaten unmittelbar zur Herausgabe von Bestands-, Zugangs-, Transaktions- und Inhaltsdaten zu verpflichten. Auch Daten aus einer elek- tronischen Patientenakte (ePA) könnten betroffen sein. Bei grenzübergreifenden Ermittlungen stehen die natio- nalen Behörden bisher vor dem Problem, dass relevante Daten auf Servern und Rechnern im europäischen und im nicht-europäischen Ausland gespeichert sind. Ein direkter Zugriff auf diese Daten ist bisher nur in Ausnahmefällen möglich – notwendig ist bislang ein Rechtshilfeersuchen, das aber bei Ermittlungen zu langwierig sein kann. Hier soll die E-Evidence-Verordnung Abhilfe schaffen. DIE LOKALEN JUSTIZBEHÖRDEN WERDEN UMGANGEN Die geplante Verordnung, die sich derzeit in den Trilog- verhandlungen zwischen dem Europäischen Rat, dem Parlament und der Kommission befindet, soll bald zum Abschluss gebracht werden. Der Knackpunkt: Die Justiz- behörden können sich zur Sicherung elektronischer Beweis- mittel an die Anbieter digitaler Dienste wenden. Bei Ver- dacht auf gewisse Straftaten können Ermittlungsbehörden anderer EU-Staaten auch die Herausgabe medizinischer Daten verlangen. Im Gegensatz zu einer EU-Richtlinie muss eine EU-Verordnung 1:1 in die nationale Gesetzgebung überführt werden und lässt keine Modifikation zu. In der Fachöffentlichkeit und bei Fachverbänden ist die geplante Verordnung umstritten. Ein wesentlicher Kritik- punkt betrifft die Umgehung der Justizbehörden des Staates, in dem der ersuchte Provider seinen Sitz hat. Vom Ersuchen an einen Anbieter in Deutschland beispielsweise erhält die deutsche Justiz nur Kenntnis, wenn sich das Unternehmen weigert, die Daten zu übermitteln und von der Justizbehörde aus dem ersuchenden Mitgliedstaat zur Vollstreckung der Anordnung gebeten wird. Damit hängt es vom Verhalten des Providers ab, ob die Rechtmäßigkeit des Ersuchens außerhalb des ersuchenden Staates über- prüft wird. Ein weiterer Kritikpunkt: Experten monieren, dass die Herausgabe von Daten nicht mehr davon abhängig wäre, ob die verfolgte Tat dort, wo die Daten abgefragt werden, überhaupt strafbar ist. So könnten etwa Unternehmen mit Sitz in Deutschland zur Herausgabe von Daten an Ermittlungsbehörden in anderen EU-Mitgliedstaaten verpflichtet werden – obwohl die verfolgte Tat in Deutschland überhaupt keine Straftat ist. Das könnte zum Beispiel ein in Deutschland erlaubter Schwangerschafts- abbruch sein oder eine politische Meinungsäußerung, die im ersuchenden Staat unter Strafe steht. Scharfe Kritik kommt von den Freien Berufen. Diese wei- sen darauf hin, dass die Vorschläge von Kommission und Rat zur Verordnung nicht auf die Wahrung des Berufs- geheimnisses eingehen. Der zuständige Ausschuss des Europäischen Parlaments (LIBE) hingegen habe das Berufs- und Anwaltsgeheimnis in seinem Bericht aufge- nommen. SENSIBLE DATEN SIND NICHT GESCHÜTZT Der Europäische Dachverband der Ärzte (CPME) warnt darüber hinaus davor, dass der ärztlichen Schweigepflicht nicht genügend Sorge getragen werde. Die Ärzte befürch- ten, dass sensible Gesundheitsdaten nicht ausreichend geschützt sind und so das Vertrauen in die zunehmende Digitalisierung der Gesundheitssysteme, etwa mit Blick auf die ePA, untergraben werden kann. Deshalb fordern E-EVIDENCE-VERORDNUNG Arztgeheimnis in Gefahr? Die neue europäische E-Evidence-Verordnung ist im Gesetzgebungsverfahren in die Schlussphase getreten. Die Freien Berufe und die Heilberufe befürchten Auswirkungen auf das Berufs- und Arztgeheimnis. Sie appellieren an den europäischen Gesetzgeber, die Wahrung von Berufs- geheimnissen sicherzustellen und fordern Ausnahmeregeln. Foto: AdobeStock_Krakenimages

RkJQdWJsaXNoZXIy MjMxMzg=