Zahnärztliche Mitteilungen Nr. 20

zm 111, Nr. 20, 16.10.2021, (1924) ZAHNMOBIL FÜR SENIOREN UND PATIENTEN MIT BEHINDERUNG „Der Weg darf kein Argument gegen die Behandlung sein“ Vor drei Jahren startete Dr. Christoph Blum mit seinem Zahnmobil in Rheinland-Pfalz, nachdem die Behandlung eines über 80-Jährigen demenziell erkrankten Patienten von dessen Angehörigen abgelehnt worden war. Der Transportweg sei eine zu große Belastung. Seitdem ist für ihn klar: Der Weg zur Praxis darf nicht von der notwendigen Versorgung abhalten – also macht er sich mit seiner mobilen Container-Praxis auf zu den immobilen Patienten. I m Zahnmobil herrscht wenig Wohlfühlatmosphäre. Egal, ob es draußen minus sechs oder 35 Grad im Schatten sind, ob die Patienten mit besonderen Bedürf- nissen lieber kuscheln wollen, schreien oder sogar nach den ZFA grabschen, anstatt den Mund zu öffnen – ist der Einsatz geplant, organisiert und angesetzt, dann geht es raus für Dr. Blum und sein Einsatzteam. Ein- bis zweimal in der Woche tauschen der Zahnarzt aus Bad Ems und seine drei Mitarbeiterinnen die bequeme Praxis mit Heizung und Klimaanlage sowie Stammpatien- ten gegen die mobile Zahnstation und besuchen Alten- und Pflegeheime. Mit im Gepäck ist dabei immer „der Respekt für diese Patienten, bei denen fast ausschließlich Hochrisikobehandlungen anstehen“, erklärt Blum. Die sorgfältige Strukturierung macht die Einsätze überhaupt erst praktikabel, aber gleichzeitig auch effizient und sogar rentabel. Angefangen hat alles im Januar 2018. Damals mussten Blum und sein Team in der Klinik einen Patienten nach Einweisung durch den Notarzt mit einem sich stark ausbreitenden Logenabszess notfallmäßig operieren. Der Patient war zwei Wochen zuvor zu einer geplanten Sanie- rung in Vollnarkose nicht erschienen. Die Angehörigen hatten abgesagt wegen der vermeintlich zu hohen Be- lastung für den 83-jährigen, demenziell Erkrankten. Sie schätzten den Transport des Senioren als zu aufwendig ein. Für Blum der Schlüsselmoment, der ihn zum Han- deln brachte: Wenn die Seniorinnen und Senioren nicht mehr in die Praxis oder Klinik kommen, müsse man eben zu ihnen fahren. WIE KANN DIE VERSORGUNG ZUM PATIENTEN KOMMEN? Bei vielen Gesprächen mit Angehörigen, Einrichtungen und anderen Praxen hörte der Oralchirurg immer wieder heraus, dass der (vermeintlich) aufwendige Transport und die Belastung dadurch ein Argument für eine Nicht- behandlung seien. So begann das Team um Blum aus zunächst drei Behandlern und sechs Mitarbeitern die ers- ten Kooperationen mit drei Altenpflegeheimen und zwei Behindertenwohneinrichtungen. Zuerst screenten und analysierten sie den Behandlungsbedarf. Immer mit der Frage im Kopf, wie die Versorgung umgedreht und die notwendigen Behandlungen nach Möglichkeit vor Ort angeboten werden können – voll- und gleichwertig. Dr. Blum fährt mit dem LKW am Seniorenheim Maria vom Siege in Koblenz vor. Teamwork bei Patientin Hedwig Köhmstedt auf engem Raum (vor der Pandemie) 30 | GESELLSCHAFT

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