Zahnärztliche Mitteilungen Nr. 20

zm 111, Nr. 20, 16.10.2021, (1934) ETHISCH-RECHTLICHE GESICHTSPUNKTE BEI ZAHNÄRZTLICHEN HILFSEINSÄTZEN IM AUSLAND Reiselust allein reicht nicht In zahlreichen Ländern der Welt ist die zahnmedizinische Versorgung der Bevölkerung nicht in ausreichendem Maß gewährleistet. Um den betroffenen Menschen zu helfen, entscheiden sich daher viele Zahnärzte für ehrenamtliche Einsätze im Ausland – darunter auch Studierende, etwa im Rahmen einer Famulatur oder der Tätigkeit in einer Hilfs- organisation. Was es dabei zu beachten gibt, hat nun die Bundeszahnärztekammer (BZÄK) in einer Handreichung zusammengefasst. O ft finden Hilfseinsätze unter schwierigen Rahmen- bedingungen statt oder sind privat initiiert und mit einer touristischen Reise ins betreffende Einwicklungsland verwoben. Oder die Abstimmung mit den Verantwortlichen vor Ort fand nicht (hinreichend) statt. Diese und weitere Aspekte können zu spezifischen ethischen und/oder rechtlichen Konflikten führen. Auch der konkrete Aufgaben- und Einsatzbereich von Studie- renden in derartigen Einsätzen wirft Fragen auf. Vor die- sem Hintergrund soll die Handreichung eine Orientie- rung bieten. „Die Lektüre ist allen empfohlen, die einen solchen Einsatz planen, selbst Profis werden noch interes- sante Punkte finden“, betont Prof. Dr. Christoph Benz, Vorstand der Bundeszahnärztekammer (BZÄK) und Co- Autor des Papiers. „Denn zahnärztlicher Sachverstand und Lust am Reisen allein sind noch kein Garant für einen erfolgreichen Hilfseinsatz!“ Auszug aus der Handreichung: Ziel für die Autoren Dominik Groß, Christoph Benz, Christoph Hoder-Przyrembel, Dietmar Oesterreich, Bernd Oppermann, Robert Sader und Maik Wieczorrek war es, zum einen ethische Leitplanken zu setzen und zum an- deren Handlungssicherheit zu geben. Prof. Dr. Dominik Groß bricht das auf diese Fragen herunter: „Worauf muss ich aus ethischer und rechtlicher Sicht achten? In welcher Weise kann ich Studierende beziehungsweise Nicht- Approbierte einbinden? Wie müssen die Strukturen vor Ort ausgestaltet sein, um Patienten risikoarm versorgen zu können?“ Denn bei den Einsätzen im Ausland gibt es einige Fall- stricke. Es kann sein, dass Studierende voreilig wie appro- bierte Zahnärzte eingesetzt werden. „Das ist aber nicht zu- lässig und auch nicht wünschenswert, denn Hilfseinsätze dienen ja zuvorderst dem Patientenwohl und nicht primär dem Sammeln von Behandlungserfahrung“, gibt Groß zu bedenken. Problematisch sei auch der Versuch, eine tou- ristische Reise „mal schnell“ mit einem spontanen Hilfs- einsatz vor Ort zu verknüpfen. Auch bei der Patientenauf- klärung und der Frage der Einbindung der einheimischen Fachkräfte könne man einiges falsch oder eben richtig machen – es gebe einfach häufig sprachliche, kulturelle und technisch-apparative Barrieren, die man meistern muss, erklärt er. „Wir haben versucht, möglichst viele dieser Probleme zu adressieren und Hinweise zu geben.“ Benz betont: „Probleme entstehen dann, wenn wir im Ausland anders agieren, als wir dies in Deutschland tun Auf der Internationalen Dental Schau (IDS) Ende September in Köln wurde das Orientierungspapier bei der Veranstaltung der Hilfsorganisationen vorgestellt (von links: Prof. Christoph Benz, Dr. Karsten Heegewaldt und Dr. Klaus-Achim Sürmann (Hilfswerk Deutscher Zahnärzte, HDZ). Foto: BZÄK „Was die strittige Frage eines privat organisierten Hilfsein- satzes im Rahmen einer touristischen Reise in ein Einwick- lungsland betrifft, so ist auf den genuin unterschiedlichen Charakter beider Aktivitäten Rücksicht zu nehmen: Ein Hilfseinsatz ist an entsprechende Expertisen und Vorerfah- rungen der Akteure gebunden. Er orientiert sich zudem streng an den Kriterien Professionalität und Primat des Patientenwohls und sollte überdies – bezogen auf die lokalen Versorgungsstrukturen – auf Nachhaltigkeit ange- legt sein; hierbei sollten persönliche Interessen der Helfen- den weitestgehend zurücktreten. Eine touristische Reise wiederum dient zuvorderst der persönlichen Erholung und Zerstreuung und dem Ich-Erleben der Reisenden.“ (S.5, Schlussfolgerung) 40 | GESELLSCHAFT

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