Zahnärztliche Mitteilungen Nr. 20
zm 111, Nr. 20, 16.10.2021, (1946) häufig abhängig von der Mitarbeit der Angehörigen oder des Pflegeper- sonals, die mit diesen Aufgaben nicht selten überfordert sind. Als Konse- quenz daraus ergibt sich, durch ein konsequent durchgeführtes Vorsorge- programm die Entstehung von (Plaque-assoziierten) oralen Erkran- kungen zu minimieren, das Fort- schreiten bestehender Erkrankungs- prozesse frühzeitig unter Kontrolle zu halten und das Wiederauftreten von Erkrankungen durch regelmäßige Kontrolluntersuchungen und Nach- sorgebehandlungen zu verhindern. Dadurch können Defizite der häus- lichen Zahnpflege bis zu einem ge- wissen Grad durch eine verstärkte professionelle Betreuung kompensiert werden. Diese umfasst die Demons- tration einer Zahnpflege, die moto- rische und mentale Einschränkungen der Patienten berücksichtigt und die von ihnen und/oder den Ange- hörigen beziehungsweise Betreuern durchgeführt werden kann. Der Ge- brauch spezieller Bürsten (Dreikopf- zahnbürsten Superbrush ® oder elek- trische Zahnbürsten) hat sich bei vie- len (älteren) Patienten mit schweren Allgemeinerkrankungen bewährt. Die Anwendung hochkonzentrierter Fluoridzahnpasten von 5.000 ppm Fluorid und zusätzliche Mundspül- lösungen zur Verminderung einer Belagsbildung (zum Beispiel Listerine Zero ® ) sind besonders bei Patienten mit einem verminderten Speichel- fluss empfehlenswert, der als Folge einer dauerhaften Einnahme von Antihypertonika (ACE-Hemmer) und Diuretika auftreten kann. \ FAZIT FÜR DIE PRAXIS \ Ein zentraler Punkt bei der zahnärztlichen Behandlung kardial erkrankter Patienten ist die Kenntnis des aktuellen Gesundheitszustands und der aktuellen Medikation durch eine gründliche Anamnese- Erhebung. \ Ratsam ist, vor allen invasiven Eingriffen (inklusive der Leitungsanästhesie) Blutdruck, Puls und die periphere Sauerstoffsättigung zu messen. \ Alle Behandlungen sollten – soweit wie möglich – stressfrei durchgeführt werden und nicht von langer Dauer sein. Lange Wartezeiten sollten vermieden werden. \ Bei Patienten mit Herzrhythmusstörungen sind hohe Dosen von Adrenalin (bei Leitungs- und Oberflächenanästhesien sowie bei Retraktionsfäden) zu vermeiden. \ Sind aus der Anamnese schwere Herzerkrankungen erkennbar und geben die Patienten an, unter Schwindel, Angina pectoris, Atemnot oder Ohnmachtsanfällen zu leiden, sollten umfangreiche zahnärztliche Eingriffe nur in Absprache mit dem behandelnden Arzt erfolgen. \ Eine bestehende Medikation (zum Beispiel orale Antikoagulation und/oder Plättchenaggregationshemmung) darf nicht eigenmächtig verändert werden. \ Bei jedem Patienten mit kardialen Problemen sollte der orale Gesundheits- und Pflegezustand regelmäßig überprüft werden. Die Patienten sollten darüber aufgeklärt werden, dass parodontale Erkrankungen chronisch sind und einer lebenslangen professionellen Kontrolle und gegebenenfalls einer Behandlung bedürfen. PD DR. MED. MARCUS WIECZOREK Chefarzt der Klinik für Kardiologie/ Elektrophysiologie, St. Agnes Hospital Bocholt Barloer Weg 125, 46397 Bocholt und Fakultät für Gesundheit, Universität Witten/Herdecke Alfred-Herrhausen-Str. 50, 58455 Witten marcus.wieczorek@uni-wh.de Foto: Klinikum Westmünsterland 52 | ZAHNMEDIZIN
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