Zahnärztliche Mitteilungen Nr. 21
zm 111, Nr. 21, 1.11.2021, (2040) Die klinischen Symptome waren be- reits wenige Stunden nach der Opera- tion regredient. Eine postoperative Bildgebung bestätigte den Rückgang des Hämatoms. Am dritten post- operativen Tag konnte die Silikon- drainage entfernt und die Patientin bei Symptomfreiheit und Rückgang des Epiduralhämatoms entlassen werden. DISKUSSION Knöcherne und weichgewebliche Verletzungen der Orbita treten häufig bei Mittelgesichtstraumata, selbst bei nur geringer Krafteinwirkung, auf [Goedecke et al., 2019]. Die dünne Knochenstruktur im Bereich des Or- bitabodens zeigt eine hohe Anfällig- keit für Frakturen, infolge derer es zu Einblutungen oder Einklemmungen kommen kann. Etwa 25 Prozent aller Patienten mit einer Orbitafraktur zei- gen Zeichen von visuellen Einschrän- kungen. Schon geringe intraorbitale Volumenzunahmen können zu einer Erhöhung des intraorbitalen Drucks führen. Dies kann zu einer Kompres- sion des Nervus opticus mit einer dauerhaften Visuseinschränkung oder gar Visusverlust führen [Kämmerer und Saka, 2019]. So wird in der Lite- ratur angegeben, dass es bei 0,3 bis 4 Prozent aller Gesichtsverletzungen zu einem retrobulbären Hämatom kommt, das in bis zu 0,14 Prozent der Fälle zu einer permanenten Erblin- dung führt [Fattahi et al., 2014]. Neben traumatisch bedingten Verlet- zungen, zu denen auch iatrogene Verletzungsmuster beispielsweise nach Kieferhöhleneingriffen zählen [Goshtasby et al., 2010], können auch nicht-traumatische Ursachen wie Tumore, medikamentöse Therapien oder systemische Erkrankungen wie Störungen des hämorrhagischen Sys- tems eine Einblutung im Bereich der Orbita hervorrufen [Van de Voorde et al., 2019]. Gerade ältere Patienten mit einem erhöhten Sturzrisiko und häufig begleitender Antikoagulation weisen ein höheres Risiko für peri- orbitale Blutungskomplikationen auf. Zu den spezifischen Symptomen eines intraorbitalen Hämatoms zählen ein (oft schmerzhafter) Exophthalmus, herabgesetzte Reflexe und eine Visus- einschränkung mit möglicher Progre- dienz im Verlauf. Unspezifische, aber ebenfalls typische Symptome sind Schmerzen, Chemosis mit oder ohne konjunktivale Beteiligung sowie ein Monokelhämatom. Eine initiale klinische Diagnose wird im akuten Stadium durch eine radio- logische Bildgebung mittels Compu- tertomografie erleichtert [Seigel et al., 1982]. Kleinere Hämatome ohne klinische Symptomatik können zu- nächst konservativ therapiert werden. Dies beinhaltet neben engmaschigen Visuskontrollen die medikamentöse Therapie mittels Steroiden, Antibiotika und bei Bedarf osmotisch wirksamer Medikamente. Progrediente Verläufe oder größere Hämatome bedürfen als akute Not- fallsituation mit der Gefahr einer möglichen Erblindung in der Regel einer zusätzlichen chirurgischen De- kompression. Eine frühzeitige Dekom- pression der Orbita korreliert dabei mit einem besseren klinischen Out- come der Patienten [Gocer et al., 1996; Kämmerer und Saka, 2019]. Der Zugang kann hierbei je nach Lo- kalisation des Hämatoms offen trans- konjunktival, offen transpalpebral, endonasal oder in seltenen Fällen durch Feinnadelaspiration erfolgen [Hislop et al., 1996]. Ein offener Zu- gang ermöglicht hierbei neben der Ausräumung des Hämatoms ebenfalls die Inspektion der Orbita mit der Darstellung und Beseitigung einer möglichen Blutungsquelle sowie die Eröffnung weiterer Kompartimente zur Entlastung des intraorbitalen Drucks. Hämatome im Bereich der Orbita können nach einem Trauma sofort oder mit Verzögerung von einigen Tagen auftreten. Das Krankheitsbild mit der akuten Gefahr der Erblin- dung bedarf daher einer raschen Diagnose und angemessener recht- zeitiger Therapie, da die beste Prog- nose bei einer Intervention in den ersten zwei Stunden nach Auftreten des Hämatoms zu erwarten ist [Soare et al., 2015; Kämmerer und Saka, 2019]. \ FAZIT FÜR DIE PRAXIS \ Einblutungen im Bereich der Orbita können durch ein Trauma, iatrogen oder durch systemische Erkrankungen hervorgerufen werden. \ Orbitahämatome können akut oder mit einer Latenzzeit von mehreren Tagen nach einem Trauma auftreten. \ Die Kompression des orbitalen Kompartiments ist ein bedrohliches Krankheitsbild, das unbehandelt zur Erblindung des Patienten führen kann. UNIV.-PROF. DR. DR. PEER W. KÄMMERER, MA, FEBOMFS Leitender Oberarzt und stellvertretender Klinikdirektor Klinik und Poliklinik für Mund-, Kiefer- und Gesichtschirurgie, Plastische Operationen, Universitätsmedizin Mainz Augustusplatz 2, 55131 Mainz peer.kaemmerer@unimedizin-mainz.de Foto: privat 26 | ZAHNMEDIZIN
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