Zahnärztliche Mitteilungen Nr. 21

zm 111, Nr. 21, 1.11.2021, (2068) Abb. 9: Zungenrücken, durch Untersucher gehalten Abb. 10a: Zunge seitlich, durch den Untersucher geführt Abb. 10b: Die Papillae foliatae im dorso- lateralen Anteil des Zungenrückens werden hin und wieder als Tumoren fehlinterpretiert. Abb. 11: Zunge ventral Schritt IX–XI (Abb. 9–11): UNTERSUCHUNG DER ZUNGE Die Zunge kann am besten beurteilt werden, wenn sie mit einem Gazetupfer etwas aus der Mundhöhle herausgezogen wird. Dabei werden Beläge, Schwellungen, Ulzerationen, Größenveränderungen und Abweichungen der Farbe und Textur registriert (die vier F: Form, Farbe, Funktion, Festigkeit). Zur Beurteilung der Zungenränder wird die Zunge zu den Mund- winkeln gezogen, so dass die gegenüberliegende Zungenseite ins Blickfeld gelangt. Es kommt vor, dass im dorso-lateralen Anteil des Zungenrückens die dort lokalisierten Papillae foliatae als Tumoren fehlinterpretiert werden. Daher sind grund- legende Kenntnisse der klinisch normalen Mundhöhlenverhältnisse für das Auffinden von Mundhöhlenerkrankungen Voraussetzung. Es folgt die Inspektion der ventralen Seite der Zunge einschließlich Zungenbändchen. Zeitsparend kann das durch Eintra- gungen in ein Schema (zum Beispiel das Renstrup-Schema [Roed-Petersen und Renstrup, 2009] geschehen (Ab- bildung 14). Zusätzlich ist eine Foto- dokumentation zur Visualisierung auch im Hinblick auf die Patienten- führung von Vorteil. SYSTEMATISCH VORGEHEN Wer dem oben dargestellten Algorith- mus folgt und seine Patienten entsprechend einem immer wieder- kehrenden Schema untersucht, dem bleiben vor allem Zweifel darüber er- spart, ob die eine oder andere Läsion bei vorangegangenen Untersuchungen übersehen wurde. Das systematische Vorgehen stärkt die Sicherheit der Diagnostik und ist die Grundlage jeder erfolgreichen Karzinomfrüh- erkennung. Gerade bei den nicht selten schnell wachsenden Platten- epithelkarzinomen der Mundhöhle gilt: Je früher der Tumor entdeckt wird, desto (teils dramatisch) güns- tiger sind die Heilungsaussichten. Ein genauer Blick auf die Mundschleim- haut kann Leben retten. \ DIE ÜBERLEBENSRATEN Trotz neuer Behandlungsmethoden wie Strahlen- und Chemotherapie ist es in den vergangenen Jahrzehnten nicht gelungen, die Fünfjahresüberlebensrate bei Mund- und Rachenkrebs deutlich anzuheben. In diesem Zeitraum stirbt nach wie vor durch- schnittlich die Hälfte der erkrankten Patienten – 37 Prozent der Frauen und 53 Prozent der Männer [RKI, 2021]. Ist ein Tumor kleiner als zwei Zentimeter, überleben durch- schnittlich mehr als 60 Prozent in diesen ersten fünf Jahren. Unabhängig von der Tumorgröße sinkt die Fünfjahresüberlebensrate auf unter 20 Prozent, wenn bei der Erst- diagnose lokale Metastasen gefunden werden. Die Hälfte aller Patienten, bei denen ein Karzinom der Mundhöhle diagnostiziert wird, weist bereits befallene lokoregionäre Lymphknoten sowie Fernmetastasen auf [Markopoulos, 2012]. 54 | ZAHNMEDIZIN

RkJQdWJsaXNoZXIy MjMxMzg=