Zahnärztliche Mitteilungen Nr. 21

zm 111, Nr. 21, 1.11.2021, (2020) Nun ist es also offiziell: Mit der Zustimmung von SPD, Grünen und FDP zu Koalitionsgesprächen rückt eine Ampelkoalition in Deutschland für die nächsten vier Jahre in greif- bare Nähe. Ein zwischen den drei Parteien abgestimmtes Sondierungs- papier lässt die Richtung erkennen, auf die sich die drei Parteien geeinigt haben. Es lohnt sich, hier ganz genau hinzuschauen. Das zwölfseitige Grundsatzpapier skizziert Leitplanken für die zukünftig geplante Politik – und ist gespickt mit Unklarheiten, Unwägbarkeiten und Unschärfen. Vieles bleibt im Nebulösen. Sehr bedauerlich: Der Gesundheitspolitik werden nur ganze 18 Zeilen gewid- met – ein Zeichen dafür, dass das Thema bei den Koalitionären (trotz Pandemiezeiten) nicht gerade ganz oben auf der Agenda steht. Doch was ist geplant? Zunächst heißt es: „Die gesetzliche und die private Kranken- und Pflegeversicherung bleiben erhalten.“ Ist das das Ende der Bürgerversicherung, wie es SPD und Grüne in ihrem Wahlprogramm noch gefordert haben? Und hat sich hier die FDP mit ihrem Bekenntnis zum dualen System durchgesetzt? Oder geht es darum, Grenzen abzu- bauen?Man darf gespannt sein, wie diese Aussagen im Zuge der Koalitionsverhandlungen mit Kon- zepten gefüllt werden. Fest steht: Wir als zahnärztlicher Berufsstand erteilen allen Bestrebungen in Rich- tung Einheitsversicherung eine klare Absage und werden die Politiker mit ihren künftigen Taten an ihren jetzigen Aussagen messen. Vor einem Systemumbau à la Bürgerversicherung mit negativen Konsequenzen für die Freien Berufe und für unsere frei- beruflichen Strukturen können wir nur mit aller Dringlichkeit warnen. Ein weiterer Aspekt: Die Koalitionäre wollen Prävention zu ihrem Leitprin- zip machen. Da sind wir als Berufs- stand ganz bei ihnen. Wir Zahnärzte haben bewiesen: Wir „können“ Prävention. Die Mundgesundheit unserer Bevölkerung nimmt dank konsequenter Vorsorgekonzepte im internationalen Vergleich einen Spitzenplatz ein – eine Erfolgs- geschichte, auf die wir mit Recht stolz sein können. Dennoch besteht weiterer Handlungsbedarf, etwa bei der Prävention und der Versorgung in den Bereichen Early Childhood Caries, Parodontitisprävention oder bei Menschen mit Behinderungen oder Pflegebedarf. Hier werden wir unsere Konzepte weiter vorantreiben und für deren Umsetzung kämpfen – im Sinne unserer Patienten. Begrüßenswert: SPD, Grüne und FDP wollen das Gesundheitswesen gegen kommende Krisen wappnen. Sie wol- len aus Erkenntnissen der Pandemie lernen und den Öffentlichen Gesundheitsdienst stärken. Und ein weiteres dringliches Problem der Gesundheitspolitik wird in dem Son- dierungspapier angesprochen: eine verlässliche Versorgung in Stadt und Land. Wir werden sehen, was das konkret bedeutet. Für uns als Berufs- stand steht jetzt eine dringende Frage an: Bekommen wir Unterstützung für unser Anliegen, renditeorientierten Kapitalinvestoren den Zugang zur zahnärztlichen Versorgung zu ver- sagen? Und gelingt es, die drohende Vergewerblichung der Versorgungs- strukturen abzuwenden? Hier erwar- ten wir klare Ansagen von der Politik, um die ungebremst wachsende Zahl von Investoren-betriebenen Medizi- nischen Versorgungszentren (iMVZ) zu stoppen. Unsere Konzepte zur Eindämmung der Vergewerblichung und hin zur Stärkung von Freiberuf- lichkeit und Selbstverwaltung werden einen Schwerpunkt unserer politischen Arbeit in der nächsten Legislaturperiode bilden. Last, but not least: Wir fordern eine Abwehr der ausufernden Bürokratie- last in den Praxen. „Entbürokratisie- rung“ wird in dem Papier allenfalls mit einem Halbsatz erwähnt. Doch das Vorhaben sollte aus unserer Sicht mit Vorrang angegangen werden. Wenn man allein die wachsende Anzahl von Gesetzen und Regeln betrachtet, die in der vergangen Legislaturperiode auf die Praxen eingeprasselt sind, wird einem angst und bange. Wir sagen Ja zu der Idee des „Opt-in-two out“ (für jede neue Regelung werden zwei alte gestrichen) und bringen gern unsere Vorschläge in die Politik mit ein, wie überflüssige Regeln im zahnärztlichen Bereich abgebaut werden können. Es bleibt abzuwarten, wie die Koali- tionsgespräche weiter verlaufen. Viele Aspekte sind noch offen. Für uns steht fest: Wir stehen mit unseren Konzepten und unserer Expertise für den gesundheitspolitischen Dialog und eine Weitereinwicklung des Ge- sundheitswesens bereit. Unsere Mess- latte dabei: das Wohl der Patienten, die freiberufliche Berufsausübung und eine starke Selbstverwaltung. Prof. Dr. Christoph Benz Präsident der Bundeszahnärztekammer Foto: BZÄK/axentis.de Sondierungen: Vieles bleibt im Nebulösen 06 | LEITARTIKEL

RkJQdWJsaXNoZXIy MjMxMzg=