Zahnärztliche Mitteilungen Nr. 21

zm 111, Nr. 21, 1.11.2021, (2090) Kalziumantagonisten vom Verapa- mil-Typ, Digitalis) ist bei plötzlichem Auftreten einer Synkope ohne vegeta- tive Aura (Unruhe, Schwindelgefühl) in Verbindung mit einem brady- karden Rhythmus (Pulskontrolle!) vornehmlich an eine rhythmogene Synkope zu denken. Hier liegt dann ein internistischer Notfall vor, der sofortiges Handeln erzwingt: Über- wachung des Patienten bis zum Ein- treffen des Notarztes, stabile Seiten- lage zur Vermeidung einer Aspira- tion, sofern noch bei Bewusstsein und gegebenenfalls Herzdruckmas- sage bei Herzstillstand und Bewusst- seinsverlust. Synkopen durch tachykarde Rhyth- musstörungen entstehen durch hohe Kammerfrequenzen, die eine aus- reichende diastolische Füllung der Herzkammern nicht mehr zulassen, so dass hierdurch das Herzminuten- volumen kritisch abfällt. Bei älteren Patienten mit kardialen Vorerkrankungen (insbesondere Myo- kardinfarkte, Herzinsuffizienz) sollte beim Auftreten von Tachykardien mit Kreislaufwirksamkeit primär vom Vorliegen einer potenziell bedroh- lichen ventrikulären Tachykardie (mit Ursprung im Kammermyokard) ausgegangen werden. Da diese im weiteren Verlauf zu Kammerflattern/ Kammerflimmern degenerieren kann, sollte frühzeitig die Rettungskette alarmiert werden, insbesondere wenn die Tachykardie kreislaufwirksam ist. Der Patient ist engmaschig bis zum Eintreffen zu überwachen. Beim Eintreten von Bewusstlosigkeit ist die kardiopulmonale Reanimation unverzüglich zu beginnen. HYPERSENSITIVER KAROTISSINUS Beim hypersensitiven Karotissinus liegt eine „Überempfindlichkeit“ der Barorezeptoren im Bereich des Karo- tissinus vor. Durch mechanische Irri- tationen in diesem Bereich wird ein Reflexbogen aktiviert, der durch Wei- terleitung von Erregungen zu einer Bradykardie und/oder einer Hypo- tonie mit Bewusstseinsverlust führt (Karotis-Sinus-Syndrom). Typische Auslöser sind Kopfwendungen/Rekli- nationen (zahnärztliche Behandlung!) oder mechanische Reizungen beim Rasieren. Tritt in solchen Situationen eine Kreislaufinstabilität oder Ohn- macht auf, sollte an das Vorliegen eines Karotis-Sinus-Syndroms gedacht werden. Betroffen sind zumeist ältere, männliche Patienten, typischerweise mit einer längeren Hypertonie- Anamnese. HYPERTENSIVE KRISE Unter einer hypertensiven Krise ver- steht man einen krisenhaften Blut- druckanstieg von über 220 mm Hg systolisch und/oder 120 mm Hg dias- tolisch in Verbindung mit organ- spezifischen Symptomen. Diese be- stehen zumeist aus Kopfschmerzen, Bewusstseinsstörungen oder Übelkeit und Erbrechen. Die hypertensive Krise ist ein internistischer Notfall und be- darf in der Regel einer fachspezifischen Weiterbehandlung. Mögliche organ- bezogene Folgeereignisse stehen dabei im Vordergrund des Geschehens: a) Gehirn: \ Veränderung der zerebralen Durchblutung mit Ausbildung eines Hirnödems \ Gefäßruptur mit nachfolgender Hirnblutung Die klinischen Symptome bestehen aus Kopfschmerzen, Bewusstseins- störungen unterschiedlicher Schwere- grade, umschriebenen neurologischen Ausfällen (unter anderem Sehstörun- gen, Taubheitsgefühle, Lähmungen). b) Herz/Lunge: \ Verminderung der koronaren Durchblutung durch hohen Füllungsdruck in der linken Herzkammer \ Entstehung einer akuten Lungenstauung Leitsymptome sind ein Enge-Gefühl im Brustraum (Angina pectoris) und Atemnot in unterschiedlichen Aus- prägungsgraden bis hin zu brodeln- den Atemgeräuschen (Lungenödem). Beim Auftreten derartiger Befunde in Verbindung mit den oben genannten Blutdruckwerten ist eine stationäre Behandlung geboten. Die Gabe von ein bis zwei Hüben Nitro-Spray sub- lingual (entspricht 0,2–0,4 mg Nitro- glycerin) unter engmaschiger Blut- druck-Kontrolle ist insbesondere bei Vorliegen der Leitsymptome Luftnot und Angina pectoris sinnvoll. Cave: bei gleichzeitiger Einnahme von PDE-5-Hemmern – beispielsweise Viagra®, Levitra®, Vivanza® und Cialis®)! Alternativ kann Nifedipin 5 mg als Zerbeißkapsel oder Nitren- dipin 5 sublingual gegeben werden. Außerdem: aufrechte Lagerung des Patienten und adjuvante Sauerstoff- gabe von 3 Liter/Minute (wenn ver- fügbar, über eine Nasenbrille). ZAHNÄRZTLICHE BEHANDLUNG BEI KARDIOVASKULÄREN ERKRANKUNGEN In drei Beiträgen geben die Autoren einen Überblick über das Thema – von der Vorstellung der kardiovaskulären Erkrankungen (Teil 1 in der zm 19/2021) über die patientenindividuelle Anpassung der zahnärztlichen Behandlung (Teil 2 in der zm 20/2021) bis zum Umgang mit kardiovaskulären Notfällen (Teil 3 in der zm 21/2021). APL.-PROF. DR. PETER CICHON Zahnarztpraxis Leslie Crawford Johann-Walling-Str. 1, 46325 Borken und Externer Lehrbeauftragter der Universität Witten/Herdecke am Lehrstuhl für Behindertenorientierte Zahnmedizin Alfred-Herrhausen-Str. 45, 58455 Witten pcichon@t-online.de Foto: Röpke, Borken 76 | ZAHNMEDIZIN

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