Zahnärztliche Mitteilungen Nr. 21

zm 111, Nr. 21, 1.11.2021, (2092) AKUTES KORONARSYNDROM (ACS) Das akute Koronarsyndrom (ACS) ist ein Sammelbegriff für Durch- blutungsstörungen des Herzens mit folgenden Krankheitsentitäten: \ die akute Obstruktion einer Koronararterie ohne Myokard- infarkt (instabile Angina pectoris) \ der Myokardinfarkt mit inkomplettem oder komplettem Verschluss der infarktrelevanten Koronararterie \ der nicht ST-Hebungsinfarkt respektive der ST-Hebungsinfarkt Gemeinsames Leitsymptom ist das Vorliegen eines thorakalen Enge- Gefühls oder Brennens (Angina pectoris), im typischen Fall retroster- nal lokalisiert, unter Umständen mit Schmerzausstrahlung in den linken Arm, gelegentlich aber auch als Schmerzen im Rücken, im Abdomen oder im Unterkiefer. Frauen scheinen häufiger als Männer eine atypische Schmerzlokalisation aufzuweisen. Diabetiker weisen aufgrund einer bestehenden Neuropathie gehäuft oligo- bis asymptomatische Verläufe auf. Hintergrund der Angina pectoris ist in der Regel eine myokardiale Ischämie-Reaktion. Ursächlich liegt in den meisten Fällen eine Einengung im Bereich der großen epikardialen Koronargefäße und/oder eine diffuse Erkrankung der kleinsten Koronar- gefäße vor. Die Veränderungen im Bereich der großen Koronargefäße stellen mehrheitlich arteriosklero- tische Plaques mit unterschiedlichen Stenosegraden dar. Wenn sich wäh- rend der zahnärztlichen Behandlung Zeichen eines ACS entwickeln (unter anderem thorakale Enge ohne Ansprechen auf Nitro-Gabe, Kalt- schweißigkeit, Übelkeit), sollte umge- hend ein Notarzt gerufen werden. Bis zum Eintreffen des Rettungsdienstes sollte der Patient sorgfältig überwacht werden. Sofern verfügbar zusätzlich Anschluss an einen externen halb- automatischen Defibrillator. Auch nach durchgemachtem ACS bleibt der Patient ein Risikopatient. ZEREBRALER INSULT Von den Hirngefäßerkrankungen machen die zerebralen Infarkte (Apo- plexen, Schlaganfälle) den Hauptteil aus. Sie können ischämischen Ur- sprungs (ischämischer Infarkt) sein oder primär durch eine Blutung ausgelöst werden (hämorrhagischer Infarkt). Wenige Minuten nach einem intra- oder extrazerebralen Gefäßver- schluss treten neurologische Symp- tome auf, die bei Bestehen des Ver- schlusses durch Absterben von Hirn- gewebe irreversible Hirnschäden ver- ursachen. Die typischen Symptome eines Schlaganfalls sind plötzlich ein- setzende einseitige Taubheitsgefühle und Lähmungserscheinungen, Sprach- oder Sehstörungen, eine Bewusst- losigkeit oder sehr starke Kopf- schmerzen. Aus diesem Grund ist ein sofortiges, zielgerichtetes Handeln erforderlich. Dies gilt auch, wenn sich die neurologische Symptomatik nach kurzer Zeit zurückentwickelt. Eine solche transitorisch ischämische Attacke (TIA) ist nicht selten der erste und einzige Hinweis auf einen später stattfindenden zerebralen Insult. Jede Form einer neurologischen Auffällig- keit im Rahmen einer zahnärztlichen Behandlung stellt einen potenziellen Notfall dar und muss zur sofortigen Beendigung der Behandlung führen. Der Rettungsdienst muss gerufen werden. VERHALTENSMAßNAHMEN BEI NOTFÄLLEN Bei einem Notfall muss einerseits un- bedingt Ruhe bewahrt und anderer- seits schnell reagiert werden. Im Zweifelsfall wird umgehend der Not- arzt beziehungsweise der Rettungs- dienst alarmiert. Bei bewusstlosen Patienten mit Herzstillstand sind bis zum Eintreffen des Notarztes Maßnahmen der kardiopulmonalen Reanimation durchzuführen. Auf kar- diale Notfälle muss eine Zahnarzt- praxis vorbereitet sein. Dazu gehört ein gut ausgebildetes und trainiertes Team sowie ein Notfallkoffer und -medikamente. Als Standard-Ausrüs- tung werden unter anderem folgende Geräte empfohlen: \ Beatmungsbeutel mit Masken für Erwachsene und Kinder \ Blutdruckmessgerät \ Pulsoximeter \ 1-Kanal-EKG-Gerät \ Sauerstoff-Flasche mit Nasenbrille \ Automatischer externer Defibrillator (AED) ZUSAMMENFASSUNG Die zahnmedizinische Versorgung von Patienten mit kardiovaskulären Erkrankungen umfasst ein komplexes Gebiet der Zahnheilkunde, das mit vielen Schwierigkeiten verbunden sein kann. Nicht selten findet sich bei FAZIT FÜR DIE PRAXIS \ Bei einem Notfall muss unbedingt Ruhe bewahrt und schnell reagiert werden. Im Zweifelsfall wird umgehend der Notarzt beziehungsweise der Rettungs- dienst alarmiert. \ Bei bewusstlosen Patienten mit Herzstillstand sind bis zum Eintreffen des Notarztes Maßnahmen der kardiopulmonalen Reanimation durchzuführen. \ Auf kardiale Notfälle muss eine Zahn- arztpraxis vorbereitet sein. Dazu gehört ein gut ausgebildetes und trainiertes Team sowie ein Notfallkoffer und -medikamente. \ Der Erhalt einer gesunden Dentition ist gerade für Patienten mit Herz-Kreislauf- Erkrankungen von großer Bedeutung. \ Durch ein engmaschiges System von Kontroll- beziehungsweise Nachsorgeterminen mit Mundhygiene- demonstrationen und professioneller Zahnreinigung sollte das Auftreten von Infektionen im Kieferbereich und an den Keimeintrittspforten (Parodontium) weitgehend vermieden beziehungsweise unter Kontrolle gehalten werden. DR. STEFAN KLAR Zahnklinik Bochum und Therapiezentrum für Zahnbehandlungsangst Bergstr. 28, 44791 Bochum und Externer Lehrbeauftragter der Universität Witten/Herdecke Alfred-Herrhausen-Str. 45, 58455 Witten Quelle: Zahnklinik Bochum 78 | ZAHNMEDIZIN

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