Zahnärztliche Mitteilungen Nr. 22
zm 111, Nr. 22, 16.11.2021, (2142) Nach Komplettierung der Diagnostik folgte die operative Entfernung des Befunds in Intubationsnarkose, wobei aufgrund der lingulobasalen Befundlokalisation eine Ab- tragung von extraoral angezeigt war (Abbildung 3). Unter Monitoring und Schonung des Ramus marginalis des N. facialis konnte der Befund bei submandibulärer Schnitt- führung mittels Piezochirurgie und Meißel entfernt wer- den (Abbildung 4). Intraoperativ stellte sich dieser, verein- bar mit der Arbeitsdiagnose einer fibrösen Dysplasie als knochenhart, gut vaskularisiert und mit einer irregulären, knöchernen Oberfläche dar. Im Anschluss wurde der ver- bleibende, gesunde Knochen zur Glättung modellierend osteotomiert. Das entnommene Resektat wurde zur histo- pathologischen Untersuchung eingeschickt. Hier zeigten sich, vereinbar mit fibröser Dysplasie fibrotisch umlagerte Knochentrabekel angrenzend an gesunde Knochenstruktur. Der postoperative Verlauf gestaltete sich komplikationslos. Nach vollständigem Abklingen der Schwellung präsentierte sich der Unterkieferrand der Patientin symmetrisch sowie in Kontur und Verlauf ohne ästhetische Einschränkung. Die Patientin wünschte bei Symptomfreiheit vorerst keine Entfernung der weiteren ossären Läsionen im Bereich des Gesichtsschädels. DISKUSSION Die fibröse Dysplasie wurde durch Liechtenstein und Jaffe erstmals 1938 beschrieben. Unterschieden werden der monostotische und der polyostotische Typ. Im Rahmen der monostotischen fibrösen Dysplasie sind die Gesichts- schädelknochen in nur zehn Prozent der Fälle betroffen, bei polyostotischen Typen zu 50 bis 100 Prozent [Wind- holz, 1947]. Eine seltene Variante der fibrösen Dysplasie tritt im Rahmen des McCune-Albright-Syndroms auf, hier kommt es zur Bildung von polyostotischen Dysplasien in Verbindung mit Café-au-lait-Flecken und endokrinolo- gischen Malfunktionen wie Hyperthyreoidismus, Akro- megalie und pseudopubertas praecox [Dumitrescu und Collins, 2008]. Die Geschlechterprävalenz liegt mit einem Verhältnis von 60:40 leicht beim weiblichen Geschlecht. Als Wachstumsstörung junger Menschen findet sich eine altersspezifische Häufung von circa 60 Prozent der auf- getretenen Fälle in der zweiten und in der dritten Lebens- dekade [Wei et al., 2010]. Die fibröse Dysplasie ist eine benigne, langsam fort- schreitende Entwicklungsstörung, die durch konstantes Remodelling des Knochens entsteht. Die insuffiziente Remineralisation führt dabei zu vergleichsweise geringer mechanischer Stabilität. Eine maligne Entartung ist höchst selten und wird mit einer Wahrscheinlichkeit von etwa 2,5 Prozent beschrieben [Ruggieri et al., 1994]. Die Läsion wird meist erst spät durch den Patienten selbst oder im Rahmen von Routinekontrollen durch den be- handelnden Zahnarzt entdeckt. Die Symptomatik fällt dabei lokalisationsabhängig viel- gestaltig aus. Häufig sind ästhetische Einschränkungen durch Asymmetrien sowie Malokklusion infolge von Zahnverlagerungen oder bei der älteren Patientenklientel mangelnder Prothesenhalt die ersten bemerkten Symp- tome [Choi et al., 2009]. Weitere unspezifische Symptome sind Knochenschmerzen, Schmerzen im Rahmen von Nervkompression, Diplopie und Exophthalmus [Choi et al., 2009]. Ebenfalls wurden motorische Ausfälle im Ver- sorgungsbereich des N. facialis sowie selten Einschrän- kungen in der auditiven Wahrnehmung beobachtet [Yu Hon Wan und Chi Fai Tong, 2008]. Wesentliche diagnostische Informationen erhält der be- handelnde Arzt nach der klinischen Untersuchung und der anamnestischen Befunderhebung radiologisch. Erstes Foto: Kämmerer Abb. 3: Darstellung des Befunds durch einen submandibulären Zugang (intra- operativ): Dabei erfolgt die Inzision in einem zwei Querfinger breiten Abstand zum Unterkieferrand. Foto: Kämmerer Abb. 4: Das zur einfacheren Bergung zerteilte Resektat UNIV.-PROF. DR. DR. PEER W. KÄMMERER, MA, FEBOMFS Leitender Oberarzt und stellvertretender Klinikdirektor Klinik und Poliklinik für Mund-, Kiefer- und Gesichtschirurgie, Plastische Operationen, Universitätsmedizin Mainz Augustusplatz 2, 55131 Mainz peer.kaemmerer@unimedizin-mainz.de Foto: privat
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