Zahnärztliche Mitteilungen Nr. 22

zm 111, Nr. 22, 16.11.2021, (2180) vorliegen, kann deren Verwendung, wie schon in der Vorversion der Leit- linie, nicht empfohlen werden. Vollkeramische Inlaybrücken im Seitenzahnbereich Lithiumdisilikatkeramik und ver- blendete Zirkonoxidkeramik sollen nicht zur Herstellung von Inlay- brücken im Seitenzahnbereich ver- wendet werden, da klinische Daten geringe Überlebensraten von 22 Pro- zent nach 15 Jahren bei Lithium- disilikatkeramik [Becker et al., 2019] und 12,1 Prozent nach zehn Jahren bei verblendeter Zirkonoxidkeramik [Rathmann et al., 2017] zeigen. Die negative Empfehlung für Inlay- brücken aus verblendeter Zirkonoxid- keramik wurde aufgrund der neuen Daten erstmals ausgesprochen. An- sätze, Inlaybrücken aus verblendeter Zirkonoxidkeramik mit einem zusätz- lichen Flügel zu gestalten, führten zu einer besseren Überlebensrate von 95,8 Prozent nach fünf Jahren [Chaar und Kern, 2015], dennoch reichen die Daten für andere Präparations- formen und Werkstoffe für eine Emp- fehlung nicht aus. BRUXISMUS UND VOLLKERAMIK Zur Frage, ob vollkeramische Ver- sorgungen bei Bruxismus-Patienten mit Bedarf an Kronen und Brücken vergleichbare Langzeitergebnisse wie metallkeramische Versorgungen zei- gen, wurde der folgende starke Exper- tenkonsensus (100 Prozent Zustim- mung) erzielt: Aufgrund der aktuellen klinischen Studienlage lässt sich die Frage nicht abschließend bewerten [Schmitter et al., 2014], da in einer großen Anzahl der Studien Patienten mit Bruxismus explizit ausgeschlossen wurden [Dogan et al., 2017; Garling et al., 2019b; Rinke et al., 2018; Teichmann et al., 2017] und nur in wenigen Studien Bruxismus-Patienten explizit eingeschlossen wurden [Pihlaja et al., 2016; Simeone und Gracis, 2015]. Die klinische Feststellung jedoch, ob Patienten unter Bruxismus leiden, wurde erst in den letzten Jahren sys- tematisiert. Gemäß der S3-Leitlinie „Diagnostik und Behandlung von Bruxismus“ [AWMF-Reg.-Nr. 083–27] ist ein sicherer Nachweis von Bru- xismus bisher nur mittels polysom- nografischer Untersuchungen mög- lich. Daher bleibt die Diagnostik in der Praxis auf Verfahren beschränkt, die zwar die Diagnose „wahrschein- licher Bruxismus“ zulassen, aber mit einer Restunsicherheit einhergehen [AWMF-Reg.-Nr. 083–27]. Zudem kann sich die Diagnose „Bruxismus“ über die Verweildauer der Restaura- tion ändern. Grundsätzlich stellt die erhöhte mechanische Belastung bei Patienten mit Schlaf- und/oder Wachbruxismus einen Risikofaktor für alle dentalen Restaurationen dar, weswegen restau- rative Behandlungen mit erhöhten biologischen und technischen Risiken einhergehen [AWMF-Reg.-Nr. 083–27]. Bei Patienten mit wahrscheinlichem Bruxismus ist es sinnvoll zu prüfen, ob eine Behandlung mittels Restaura- tionen aus Metall möglich und ak- zeptabel ist. Sollten vollkeramische Versorgungen zum Einsatz kommen, stellt auch die Behandlung mittels monolithischer Restaurationen eine Alternative dar. Weiter sind eine Auf- klärung der Patienten über das er- höhte Verlustrisiko durch Bruxismus sowie eventuelle Einschränkungen der Indikation vonseiten des Herstel- lers wichtig. Schutz vor mechanischem Versagen der Restaurationen können strikte Behandlungsprotokolle, die genaue Beachtung der Funktion sowie die Einbeziehung einer Aufbiss-/Stabili- sierungsschiene bieten. WERKSTOFFSPEZIFISCHE FERTIGUNGSEMPFEHLUNGEN Zu der Frage, welche werkstoffspezifi- schen Fertigungsempfehlungen aus- gesprochen werden können, wurde der folgende Expertenkonsensus ge- troffen: Bei der Präparation für voll- keramische Kronen und Brücken mit Kronenankern sollte grundsätzlich eine Orientierung an den bewährten Richtlinien der Retentions- und Widerstandsform stattfinden [Kern, 2011] (Konsens). Minimalinvasive Präparationsformen mit ≤ 1 mm okklusaler Reduktion wurden lediglich in zwei Studien be- wertet: Für monolithische und teil- verblendete Kronen aus Zirkonoxid- keramik im anterioren und im poste- rioren Bereich wurde in einer Studie eine okklusale Reduktion von min- destens 0,5 mm präpariert, dabei lagen die Kurzeitüberlebensraten bei 98,5 bis 100 Prozent nach drei Jahren [Bömicke et al., 2017]. Für Kronen aus Lithiumdisilikatkeramik wurde eine okklusale beziehungsweise inzi- sale Reduktion von 0,2 bis 2 mm vor- genommen, die Überlebensrate lag in dieser Studie nach neun Jahren bei 96,1 Prozent [Valenti and Valenti, 2015]. Da jedoch für minimalinvasive Präparationsformen für Kronen und Brücken keine darüber hinausgehen- den Daten vorliegen, kann keine Empfehlung ausgesprochen werden (starker Konsens). Herstellerangaben und Vorgaben des Medizinproduktegesetzes sind unbe- dingt zu befolgen (starker Konsens). Außerdem müssen Mindestschicht- stärken, Verbinderquerschnitte, das Gerüstdesign, die Verarbeitung, die Materialbehandlung und die Befesti- gungsart beachtet werden (starker Konsens). So können sich nachträg- liches Beschleifen, Oberflächen- rauhigkeiten oder die provisorische Befestigung negativ auf das Langzeit- überleben der Restaurationen aus- wirken. „Ein Großteil der Misserfolge war auf unzureichende Material- dimensionierung oder sonstiges Materialversagen wie Chipping [...] und vollständige Keramikfrakturen zurückzuführen [...] Aufgrund der potentiellen Chippinggefahr ist die Art der Verblendung (Voll-/Teilver- blendung) besonders zu beachten“ [DGZMK, 2021]. UNIV.-PROF. DR. MED. DENT. PETRA GIERTHMÜHLEN Poliklinik für zahnärztliche Prothetik, Westdeutsche Kieferklinik, Universitätsklinikum Düsseldorf Moorenstr. 5, 40225 Düsseldorf Foto: privat 54 | ZAHNMEDIZIN

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