Zahnärztliche Mitteilungen Nr. 22

zm 111, Nr. 22, 16.11.2021, (2216) E-HEALTH-ANWENDUNGEN IM INTERNATIONALEN VERGLEICH Deutschland denkt E-Health zu akademisch Ein Vergleich unter sieben Ländern zeigt: Das deutsche E-Health-Konzept ist akademisch ausgelegt und wenig serviceorientiert. Was fehlt, ist ein echter Mehrwert. Stattdessen setzen wir Deutsche auf Informationsaustausch und Datensammlungen. Zu dem Ergebnis kommt jedenfalls das Wissenschaftliche Institut der Privaten Krankenversicherung (WIP). Der Blick auf unsere Nachbarn belegt, dass es auch anders geht. D ie Autoren der neuen WIP- Analyse haben 27 E-Health- Anwendungen in sieben Län- dern – Deutschland, Österreich, der Schweiz, Polen, Dänemark, Estland und Australien – untersucht. Ihr Fa- zit: In der Funktionalität der Anwen- dungen gibt es große Unterschiede. Während im deutschen Modell der Informationsaustausch und die Da- tensammlung als Basis für spätere Datenauswertungen im Vordergrund stehen, geht es in den anderen Ländern eher um Servicelösungen und den Mehrwert. Die elektronische Patientenakte (ePA) beispielsweise ist in sechs Ländern verfügbar. Zugriffe und Familien- oder Vertreterregelungen sind in allen Systemen hinterlegt. Befunde, Arztbriefe, Medikationslisten, Infor- mationen zu Krankenhausbesuchen sowie Notfall- und Kontaktdaten sind ebenfalls Standard. Häufig sind Infor- mationen zu Impfungen, Patienten- verfügungen, Vorsorgevollmachten sowie Organ- und Blutspendeausweise in die ePA integriert. Informationen zur Zahnvorsorge finden sich nur in Estland und in Dänemark. Größere Unterschiede zeigen sich bei den Serviceanwendungen: Elektro- nische Arbeitsunfähigkeitsbescheini- gungen (e-AU) und elektronische Überweisungen werden von allen Ländern angeboten. Nicht durch- gehend, aber häufig vertreten sind neben dem e-Rezept Serviceplattfor- men wie Gesundheitsinformations- portale und persönliche Patienten- portale, die beispielsweise eine Arztsuche oder – seltener – Termin- buchungen ermöglichen.. Die Anwendungen liegen in den Län- dern in unterschiedlichen Ausbau- stufen vor. In Deutschland ist aktuell flächendeckend nur das nationale Ge- sundheitsinformationsportal „gesund. bund.de “ inklusive Arztsuche verfüg- bar. Alle weiteren Anwendungen wer- den erst nach der verpflichtenden Anbindung an die Telematikinfra- struktur (TI) eingesetzt. Die Autoren erwarten, dass die tatsächliche Nut- zung wegen der oftmals noch nicht ausreichend ausgebauten TI bisher eher gering ausfallen wird. Wie der Ländervergleich zeigt, liegt der Fokus in Deutschland auf dem In- formationsaustausch und damit auf einer Weiterentwicklung der analogen Welt („Papierakten“). Der Nutzen liegt hier vor allem in einer verbesserten Dokumentation. In anderen Ländern hingegen liegt der Schwerpunkt auf Mehrwert- und Servicefunktionen. So bieten Anwendungen dort auch Tipps für das individuelle Gesund- heitsmanagement oder unterstützen bei der Planung von Arztterminen, was den Autoren zufolge zu einer schnellen und hohen Akzeptanz in der breiten Bevölkerung führt. Das „deutsche Modell“ sei im Unter- schied dazu eher akademisch gedacht – möglicherweise ein Grund, weshalb der Ausbau von E-Health in Deutsch- land nur mühsam vorankommt, heißt es in der Analyse. WIR MÜSSEN DIE ANALOGE DENKE ÜBERWINDEN Zum Beispiel wird die traditionelle Krankenversicherungskarte nur noch in zwei der betrachteten Länder zur Authentifizierung genutzt: Deutsch- land und Australien. Estland, eines der führenden Länder bei der Digi- talisierung des Gesundheitswesens, nutzt den elektronischen Personal- ausweis. Österreich bietet seinen Bür- gern zwei Varianten an: die Bürger- karte als virtuellen Ausweis, der zur eindeutigen Identifizierung im Inter- net dient, und die Handysignatur. Dänemark und die Schweiz haben sich für eine Authentifizierung mit Identifikationsnummer entschieden. Und vielfach ist der Zugang zu E- Health oder Gesundheitsdatenbanken eng eingebettet in den Zugang zu an- deren öffentlichen Dienstleistungen oder Daten. pr Frank Wild, Daria Kozica: E-Health- Anwendungen im Ländervergleich, WIP-Kurzanalyse September 2021 DEFINITION Unter dem Begriff E-Health fasst das Bundes- gesundheitsministerium Anwendungen, „[…] die für die Behandlung und Betreuung von Patientinnen und Patienten die Möglichkeiten nutzen, die moderne Informations- und Kommunikationstechnologien (IKT) bieten“. BMG, 2020 Foto: AdobeStock_ pandpstock001 90 | POLITIK

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