Zahnärztliche Mitteilungen Nr. 23-24
zm 111, Nr. 23-24, 1.12.2021, (2269) der erweiterten Behandlungsmöglich- keiten hin. Es sei ihm ein „wichtiges Anliegen, dass wir das auch zu einem Thema der Kolleginnen und Kollegen machen“. HORIZONTE ERWEITERN Dr. Michael Frank, Präsident der Landeszahnärztekammer Hessen, be- dauerte, dass es der Kammer auch dieses Jahr nicht möglich war, die Teilnehmer des wissenschaftlichen Kongresses in Frankfurt zu begrüßen. Er freute sich jedoch über das rege In- teresse, das sich trotz der beschränk- ten Möglichkeiten des Onlineformats in den Anmeldungen gezeigt hat. Als Moderator der ersten Session führte Frank dann kurz ins wissenschaft- liche Programm ein. Auch dieses Mal habe man Referenten eingeladen, die ihren Vortrag jeweils mit einem Blick über die Horizonte der Profession hinaus beginnen. Für das Auftakt- referat kündigte er einen ganz beson- deren Gastredner an, der für seine Tä- tigkeit in Lehre und Klinik vielfach ausgezeichnet worden sei. DETEKTIVARBEIT AM PATIENTEN: DER „GERMAN DR. HOUSE“ Die vielen Seltenen sind ganz schön häufig: „Gäbe es eine Partei für seltene Erkrankungen, würde sie im Bundes- tag sitzen.“ Mit diesen Worten leitete Prof. Dr. Jürgen Schäfer, Marburg, sei- nen Vortrag über seltene Erkrankun- gen ein. Der „German Dr. House“, wie Schäfer sich selbst scherzhaft nennt, leitet das Zentrum für unerkannte und seltene Erkrankungen in Marburg, das deutschlandweit einmalig ist. 500 seltene Erkrankungen mit Zahnbeteiligung Per Definition ist eine Erkrankung selten, wenn sie mit einer Prävalenz von weniger als 1:2.000 auftritt. Der Anteil der seltenen Erkrankungen liegt in Deutschland bei mehr als fünf Prozent aller Erkrankungen – und würde damit die Fünf-Prozent- Hürde für den Bundestag übersprin- gen. Insgesamt 8.000 seltene Erkran- kungen wurden bereits dokumen- tiert, davon über 500 mit Zahnbeteili- gung. Ein großer Teil der Erkrankten erhält zunächst Fehldiagnosen, vie- len wird nach dem vermeintlichen Ausschluss möglicher somatischer Ursachen eine psychosomatische Erkrankung zugeschrieben. 15 Prozent können mithilfe der Zahnärzte diagnostiziert werden Eine wichtige Kernbotschaft des mit vielen klinischen Beispielen illustrier- ten Vortrags: Insgesamt 15 Prozent der seltenen Erkrankungen könnten durch die Hilfe von Zahnärztinnen und Zahnärzten diagnostiziert wer- den. Die Datenbank ROMSE dient der Erfassung orofazialer Manifes- tationen bei Menschen mit seltenen Erkrankungen und kann Zahnärztin- nen und Zahnärzten als Unterstüt- zung beim Verdacht auf eine seltene Erkrankung dienen. Schäfer nannte einige Beispiele von seltenen Erkrankungen mit oraler Be- teiligung: Bei der Hypophosphatämie handelt es sich um einen Gendefekt, der dazu führt, dass die Phosphatkon- zentration im Blut zu niedrig ist. Die daraus folgende gestörte Knochen- mineralisation führt zu Knochen- schmerzen, Skelettveränderungen und Kleinwuchs. Es kann weiterhin zu Zahnanomalien, zu einem ver- zögerten Zahndurchbruch und zur Abszessentstehung ohne erkennbaren dentogenen Fokus kommen. Die Hypophosphatasie (niedrige alka- lische Phosphatase) kann sich durch ungewöhnlich frühen Milchzahnver- lust bemerkbar machen. Umgekehrt kann ein verzögerter Milchzahnver- lust ein Zeichen für ein Hyper-IgE- Syndrom sein (sehr hohe IgE-Spiegel im Serum). Weitere Symptome sind häufig rezidivierende Abszesse und rezidivierende Atemwegsinfektionen. Typisch sind auch Gesichtsasymme- trien, ein hoher Gaumen, tiefliegende Augen, ein breiter Nasenrücken und Dysgnathien. MILLERPREIS Im Rahmen des diesjährigen Kongresses wurden die Millerpreise für die Jahre 2020 und 2021 überreicht. PD Dr. med. dent. Gerhard Schmalz (Poliklinik für Zahnerhaltung und Parodontologie, Universität Leipzig) nahm stellvertretend für die Mitglieder der vierköpfigen Arbeitsgruppe (Prof. Dr. med. dent. Dirk Ziebolz, Poliklinik für Zahn- erhaltung und Parodontologie, Universität Leipzig; Dr. med. Christian Binner und Prof. Dr. med. Jens Garbade, Klinik für Herzchirurgie, Herzzentrum Leipzig) den bereits im vergangenen Jahr zuerkannten Millerpreis 2020 entgegen. Ausgezeich- net wurde die Arbeit „Mundgesundheit und zahnmedizinische Betreuungssituation von Patienten mit schweren Herzerkrankungen – Beschreibung einer Versorgungs- lücke und Konsequenzen für ein interdisziplinäres Behandlungskonzept“. Den Millerpreis des Jahres 2021 erhielt Dr. med. dent. Ramona Maria Schweyen, Halle, für ihre Arbeit „Bewährung zahnärztlicher Versorgungen von Patienten nach multimodaler Tumortherapie im Kopf-Hals-Bereich unter Berücksichtigung von Kaufunktion und Lebensqualität“. Die Jury lobte in ihrer Laudatio die hohe Relevanz des Themas in Verbindung mit dem Aspekt der Lebensqualität. Foto: Sonja Heinzen, Quintessenz Verlag Die Preisträger PD Dr. med. dent. Gerhard Schmalz, Leipzig, und Dr. med. dent. Ramona Maria Schweyen, Halle, mit DGZMK-Präsident Prof. Dr. Roland Frankenberger (v.l.n.r.) DEUTSCHER ZAHNÄRZTETAG 2021 | 19
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