Zahnärztliche Mitteilungen Nr. 23-24
zm 111, Nr. 23-24, 1.12.2021, (2280) GESUNDHEITSKOMPETENZ IN DEUTSCHLAND Das Gros hat keine Ahnung Fake News, Digitalisierung und die schiere Menge an Informationen machen es den Deutschen immer schwerer, sich im Gesundheitssystem zurecht zu finden: Sechs von zehn Bürgern besitzen eine geringe Gesundheitskompetenz. Das zeigt die europäische Studie „European Health Literacy Population Survey“. 17 Länder nahmen teil, darunter auch Deutschland. I nternational hat weniger als die Hälfte (46 Prozent) der Bevölke- rung eine geringe Gesundheits- kompetenz. Hierzulande fallen die Werte noch schlechter aus: 58,8 Pro- zent der Deutschen schätzen den Umgang mit den Gesundheitsinfor- mationen als „schwierig“ oder „sehr schwierig“ ein. Für Deutschland hatten die Universi- tät Bielefeld und die Hertie School of Governance in Berlin im Dezember 2019 und im Januar 2020 repräsen- tativ 2.151 deutschsprachige Erwach- sene befragt, wie sie Gesundheits- informationen finden, verstehen, be- urteilen und anwenden. Im Unter- schied zu ihren europäischen Nach- barn gaben die Deutschen besonders oft Probleme beim Navigieren im System an: Rund 70 Prozent finden es sehr schwierig, überhaupt heraus- zufinden, wie man sich im Gesund- heitssystem zurechtfindet. Fast 50 Prozent wissen nicht, welche Art der Versorgung sie im Fall der Fälle brauchen. UNSER SYSTEM IST EINFACH ZU KOMPLIZIERT „Im Unterschied zu den meisten anderen in die Untersuchung ein- bezogenen Ländern ist das Gesund- heitssystem in Deutschland sehr komplex und instanzenreich“, er- läutert Prof. Dr. Doris Schaeffer von der Universität Bielefeld. Die Leiterin der deutschen Studie hält unsere Strukturen für schwer überschaubar. „Dadurch ist es nicht einfach, sich im Gesundheitssystem zu orientieren und direkt, ohne große Umwege, die richtige Stelle für das eigene Anliegen zu finden“, sagt sie. Durch die Sek- torisierung und die Zersplitterung entstehen Schaeffer zufolge viele Ver- sorgungsbrüche, die besonders häufig bei Menschen mit lang andauernden Gesundheits- und Krankheitsproble- men zu beobachten sind. Infolge der Digitalisierung ist ja nicht nur die Zahl an Informationsmög- lichkeiten nach oben geschnellt. Auch die Menge an Gesundheits- informationen hat sich vervielfacht. Gleichzeitig haben interessengeleitete, manipulierte und falsche Informa- tionen rasant zugenommen, wie COVID-19 zeigt. Mit dieser „Info- demie“ einhergehend sind die Anfor- derungen an den Umgang mit Ge- sundheitsinformationen und auch an die Kommunikation zwischen Ärzten und Patienten gestiegen, bilanzieren die Studienautoren. Aber auch in anderen Ländern fällt es den Menschen schwer, relevante Welche Kompetenzen müssen Menschen heute haben, um Gesundheitsprobleme und Krankheiten zu bewältigen oder, besser noch, um sie zu vermeiden und mit den dazu nötigen Informationen umzugehen? Diese Frage wird in Deutschland seit etwa zehn Jahren unter dem Stichwort „Gesundheitskompetenz“ diskutiert. Foto: Adobe Stock_Zerbor HINTERGRUND Initiiert durch die WHO Europa hat der Internationale Health Literacy Survey (HLS19) von 2019 bis 2020 die Bevölke- rung in 17 europäischen Ländern zu ihrer Gesundheitskompetenz befragt. Dabei waren Österreich, Belgien, Bulgarien, die Tschechische Republik, Dänemark, Frank- reich, Deutschland, Ungarn, Irland, Israel, Italien, Norwegen, Portugal, Russland, Slowakei, Slowenien und die Schweiz. 30 | GESELLSCHAFT
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