Zahnärztliche Mitteilungen Nr. 23-24
zm 111, Nr. 23-24, 1.12.2021, (2286) ZUR ROLLE VON ZAHNMEDIZIN UND MKG-CHIRURGIE Diagnostik und Therapie der obstruktiven Schlafapnoe Cornelius von Wilmowsky, Helmut Lindorf, Renate Müller-Herzog, Florian Schilling Mit der Aufnahme der Unterkieferprotrusionsschiene (UPS) in den Leistungskatalog der gesetzlichen Kranken- versicherung sind die Vertragszahnärzte künftig in die Versorgungsstrecke zur Behandlung der obstruktiven Schlaf- apnoe (OSA) eingebunden. Die UPS und der chirurgische Weg des Maxillo-Mandibulären Advancement (MMA) sind hochwirksame Therapieoptionen. Der Beitrag skizziert den aktuellen Stand von Diagnostik und Therapie und diskutiert die wachsende Rolle von Zahnmedizin und MKG-Chirurgie in der interdisziplinären Behandlung der OSA. D ie Grundlage der OSA ist eine gestörte Atmung mit Apnoen und Hypopnoen, bedingt durch eine pharyngeale Obstruktion und Hypoventilation. Die Erkrankung wird entsprechend der International classification of sleep disorders (ICSD-3) [American Academy of Sleep Medicine, 2014] diagnostiziert, wenn die Atmungsstörung durch keine andere Schlafstörung, medizinische Erkrankung oder Medikamente erklär- bar ist. Zusätzlich muss ein Apnoe- Hypopnoe-Index (AHI) > 15/h Schlaf- zeit oder ein AHI ≥ 5/h Schlafzeit in Kombination mit einer typischen klinischen Symptomatik oder rele- vanten Komorbidität vorliegen [DGSM, 2017]. Der AHI gibt die An- zahl der Apnoen und Hypopnoen je Stunde Schlafzeit an. Ein Apnoe- Ereignis muss per Definition mindes- tens zehn Sekunden andauern und ist normalerweise mit Hypoxie und Schlaffragmentierung verbunden. Der AHI objektiviert die Diagnose und bestimmt in Zusammenschau mit der klinischen Symptomatik den Schweregrad der OSA. Dabei gelten 5 bis 14 Ereignisse pro Stunde als mild, zwischen 15 und 29 Ereignisse als moderat und mehr als 30 Ereignisse pro Schlafstunde als schwerwiegend [Penzel et al., 2015]. RISIKOFAKTOREN Die Prävalenz der OSA beträgt bei er- wachsenen Männern drei bis sieben Prozent und bei erwachsenen Frauen zwei bis fünf Prozent. Somit zählt das OSA-Syndrom zu einer häufigen Er- krankung, deren Prävalenz in den vergangenen 20 Jahren um 15 bis 44 Prozent gestiegen ist [DGSM, 2017]. Die OSA tritt bei Patienten mit Herz- Kreislauf-Erkrankungen zwei- bis drei- fach häufiger auf. Als Hauptrisiko- faktoren gelten Adipositas, höheres Alter, regelmäßiger Alkoholkonsum und Rauchen. Eine hereditäre Kom- ponente wird diskutiert [Redline et al., 1995]. Eine Folgeerscheinung des nicht erholsamen Schlafes ist Tages- schläfrigkeit. Dadurch bedingt haben OSA-Patienten eine drei- bis sieben- fach erhöhte Unfallwahrscheinlich- keit im Straßenverkehr [McNicholas, 2008; Somers et al., 2008]. Weitere Folgen können von Cor pulmonale, Herzrhythmusstörungen, arterieller Hypertonie, Atherosklerose, Herz- infarkt, Herzinsuffizienz, Schlag- anfall bis zu malignen Erkrankungen reichen [Campois-Rodriìguez et al., 2013]. Durch die Einschränkung der Lebensqualität besteht ein erhöhtes Risiko für Depressionen [Goncalves et al., 2004]. Dabei kommt der Erkennung der OSA eine besondere Bedeutung zu. Die OSA stellt eine chronische Er- krankung dar, die oftmals einer lebenslangen Behandlung bedarf [Epstein, 2009]. Zusätzlich wird von einer hohen Dunkelziffer an nicht- und unzureichend therapierten Pa- tienten ausgegangen [Posnick, 2014]. Durch eine rechtzeitige Behandlung können die Lebensqualität von Be- troffenen gesteigert sowie das Unfall- risiko, die Morbidität und Mortalität sowie auch die gesundheitsökono- mischen Kosten signifikant reduziert werden [Tan et al., 2006; Weatherly et al., 2009; Mar et al., 2003; Fisher et al., 1997; Ayas et al., 2006]. THERAPIEZIEL Das Therapieziel bei OSA stellen der ungestörte, erholsame Schlaf mit weniger als 15 Apnoe-Ereignissen pro Stunde sowie das Ausbleiben der klinischen Symptomatik und Tages- schläfrigkeit dar [DGSM, 2017]. DIAGNOSTIK Klinische Untersuchung Die Diagnostik beginnt mit der kli- nischen Untersuchung, um anato- mische Veränderungen an den obe- ren Atemwegen oder im Bereich des Gesichtsschädels zu identifizieren, die ursächlich für die OSA sein kön- nen. Neben Nase, Mundhöhle und Rachen muss auch die skelettale Mor- phologie des Gesichtsschädels unter- PD DR. MED. DR. MED. DENT. CORNELIUS V. WILMOWSKY Praxis für Mund-, Kiefer- und Gesichtschirurgie Prof. Lindorf, PD v. Wilmowsky & Kollegen Fürther Str. 4a, 90429 Nürnberg Foto: Praxis Prof. Lindorf, PD v. Wilmowsky & Kollegen 36 | ZAHNMEDIZIN
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