Zahnärztliche Mitteilungen Nr. 23-24
zm 111, Nr. 23-24, 1.12.2021, (2294) tät wird der Tracheotomie gleich- gesetzt, wobei diese Therapieoption als „ultimo ratio“ anzusehen ist [Posnick, 2014]. Zusätzlich konnte in der Literatur gezeigt werden, dass das MMA der UPPP überlegen ist [Boyd et al., 2013]. Da mit dem MMA eine kausale Behandlung mit 90 bis 100 Prozent Langzeiterfolg erzielt werden kann, muss die Reihenfolge Weich- gewebschirurgie und dann Osteo- tomie als nicht mehr zeitgemäß betrachtet werden [Pistner, 2014; Posnick, 2014]. Folglich sollte die Be- ratung über die Therapieoption des MMA verpflichtender Teil innerhalb der schlafmedizinischen Beratung und des Therapiekonzepts werden [Pistner, 2014]. Bestehen bei Patien- ten skelettale Anomalien oder stellt eine verlagernde Osteotomie eine Erfolg versprechende Therapie dar, lassen sich die Gesundheit und die Lebensqualität der Patienten auf diese Weise wiederherstellen und der Leidensweg verkürzen [Lindorf et al., 2021]. Zusätzlich können in Kombi- nation mit dem MMA intraoperativ Korrekturen des Nasenseptums oder der Nasenmuscheln bei anatomischen Abweichungen erfolgen [Lindorf et al., 2021]. Ein interessanter Neben- effekt des MMA ist zusätzlich, dass circa 90 Prozent der Patienten an- geben, einen ästhetischen Gewinn des Erscheinungsbildes durch die Umstellungsosteotomie erzielt zu haben [Holty et al., 2010; DGSM, 2020; Penzel, 2015]. Anders als in der Leitlinie, in der die Fernröntgen-Seitaufnahme zur Diagnostik der OSA als Standard angegeben wird, sehen wir dies als überholt an. Die digitale Volumen- tomografie (DVT) ermöglicht nicht nur eine bessere Beurteilung der skelettalen Situation des gesamten Gesichtsschädels, sondern auch die dreidimensionale Beurteilung des Posterior Airway Space. Um eine suf- fiziente Reproduzierbarkeit und Ver- gleichbarkeit der Daten zu erlangen, muss streng auf die Zungenposition geachtet werden. Dies entspricht auch den Erfahrungen aus der eige- nen Patientenklientel [Hochban, 2017; Naujokat et al., 2018; Lindorf et al., 2021; Kochel et al., 2013; Heiland et al., 2020]. UNTERREPRÄSENTATION VON ZAHNMEDIZIN UND MKG Betrachtet man zusammenfassend die drei wesentlichen Leitlinien bezüg- lich schlafbezogener Atemstörungen und die Teil-Aktualisierung der S3- Leitlinie „Schlafbezogene Atmungs- störungen bei Erwachsenen“ der Deutschen Gesellschaft für Schlaf- forschung und Schlafmedizin (DGSM), so fällt auf, dass Mund-, Kiefer- und Gesichtschirurgen, spe- zialisierte Zahnärzte und auch die Kieferorthopäden stark unterreprä- sentiert sind, obwohl sie einen festen Platz bei der klinischen Untersuchung und Therapie einnehmen. So ist zum Beispiel in der S3-Leitlinie „Nicht erholsamer Schlaf/Schlafstörungen Kapitel ‚ Schlafbezogene Atmungs- störungen‘“ von den 15 Autoren le- diglich ein MKG-Chirurg vertreten, in der Teilaktualisierung der S3-Leit- linie „Schlafbezogene Atmungsstö- rungen bei Erwachsenen“ der DGSM sind unter den 16 Autoren keine MKG-Chirurgen, Zahnärzte oder Kie- ferorthopäden zu finden, sondern aus- schließlich Hals-Nasen-Ohrenärzte und Internisten, obwohl auch hier mit Evidenzlevel 5 und Empfehlungs- grad A mehrere MKG-chirurgische Aspekte diskutiert und gefordert werden. Weiterhin fällt auf, dass die Therapie der OSA mittels MMA in der 93 Seiten langen Leitlinie lediglich auf einer 1/3-Seite beschrieben wird. Durch eine engagiertere Vertretung der Mund-, Kiefer- und Gesichts- chirurgie, Zahnmedizin und Kiefer- orthopädie während der Leitlinien- erstellung könnte zusammen mit der Hals-, Nasen- und Ohrenheilkunde eine bessere fachgebietsübergreifende Therapiestrategie etabliert werden, um den Patienten schneller und effektiver therapieren zu können. HERAUSFORDERUNGEN ANNEHMEN Mund-, Kiefer- und Gesichtschirurgie, Zahnmedizin und Kieferorthopädie sollten sich mit der Thematik Schlaf- apnoe künftig mehr beschäftigen – sowohl im Hinblick auf die eigenen Therapieoptionen als auch auf die Prävention. So sollte beispielsweise bei kieferorthopädischen Therapien und orthognathen Eingriffen immer die Auswirkung auf den Zungenfunktions- raum und den posterioren Atemweg berücksichtigt werden. Eine Verklei- nerung des pharyngealen Raumes sollte bereits bei der Planung berück- sichtigt werden, um eine SBAS oder deren Entwicklung zu vermeiden. FAZIT Sowohl die konservative Unterkiefer- protrusionsschiene als auch das ope- rative Maxillo-Mandibuläre Advance- ment stellen hocheffektive Behand- lungsverfahren für die OSA dar. Bisher sind diese Therapieoptionen jedoch in den Leitlinien unterreprä- sentiert, obwohl diese Kompetenzen eindeutig zum Therapiespektrum der OSA zählen. Durch eine gezielte Anamnese und Diagnostik kann der Leidensweg vieler Patienten abge- kürzt und eine deutliche Verbesse- rung der Lebensqualität erzielt wer- den. Da die Mund-, Kiefer- und Ge- sichtschirurgie, Zahnmedizin und Kieferorthopädie einen wesentlichen Beitrag zur Diagnostik und Therapie schlafbezogener Atemstörungen leis- ten können, plädieren wir für eine intensivere Auseinandersetzung und Stärkung unserer Rolle bei dieser Thematik. ! DR. MED. DENT. FLORIAN SCHILLING Praxis für Mund-, Kiefer- und Gesichtschirurgie Prof. Lindorf, PD v. Wilmowsky & Kollegen Fürther Str. 4a, 90429 Nürnberg Foto: Praxis Prof. Lindorf, PD v. Wilmowsky & Kollegen 44 | ZAHNMEDIZIN
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