Zahnärztliche Mitteilungen Nr. 23-24

offiziell als Zahnarzt in Paris nieder. Ab 1951 war er zudem in verschiede- nen Pariser Krankenhäusern beschäf- tigt, etwa im l‘hôpital Bichat. 1978 gab er den Zahnarztberuf alters- bedingt auf. In der Folgezeit baute er seine ehrenamtliche Tätigkeit als Präsident und Vorstandsmitglied diverser gemeinnütziger Organisatio- nen ehemaliger jüdischer Emigranten noch weiter aus. Neu verstarb am 9. März 2002 in seiner Wahlheimat Paris [Moering, 2002]. Dass Neu in dieser Reihe besprochen wird, erklärt sich nicht mit seinen Beiträgen zur Entwicklung der Zahn- heilkunde. Anders als die meisten bisher porträtierten Emigranten – wie Hermann Becks, Georg Hindels, Hermann Prinz, Bálint Orbán oder Kurt Odenheimer [Groß, 2021a-d; Groß/Bergmann, 2021] – war Neu nach der Emigration kaum noch in der Forschung aktiv; dementspre- chend gering blieb die Zahl seiner Veröffentlichungen [Neu, 1931; Neu, 1965]. Stattdessen wurde Neu – neben einer langjährigen, erfolgreichen Pra- xistätigkeit in Paris – von Frankreich aus zum einem der internationalen Sprecher jüdischer Emigranten, setzte späterhin wesentliche Impulse der Aussöhnung der europäischen Juden mit Deutschland und Österreich und erfuhr dafür in mehreren Ländern hohe politische Ehrungen. Den Grundstein zu diesem Engage- ment legte er bereits 1935, als er den „Club de Solidarité“ mitbegründete – eine Organisation, die sich als Inte- ressenvertretung jüdischer Flücht- linge verstand. Im Mittelpunkt stan- den dort ab 1939 die Menschen, die ins französische Internierungslager Gurs am Fuße der Pyrenäen gebracht worden oder mit diesen verbunden waren. Bekannt und berüchtigt war das „Camp de Gurs“ durch die De- portation großer Teile der jüdischen Bevölkerung aus Baden, der bayeri- schen Pfalz und der Saarpfalz. Diese Transporte erfolgten im Herbst 1940 auf Initiative der Nationalsozialisten und ihrer französischen Kollabora- teure. Das Lager wurde nicht direkt vom NS-Regime, sondern in dessen Auftrag von der Vichy-Regierung ge- leitet [Ruch, 1998]. IM KRIEG ENGAGIERTE ER SICH IM WIDERSTAND Neu engagierte sich in Frankreich vor allem seit 1940 für andere Flücht- linge – als „Flüchtlingszahnarzt“ [Neu, 1998c], aber auch in politischer Hinsicht. Hierzu notiert Ruch: „Vor den Verfolgungsmaßnahmen der Deutschen im seit 1940 besetzten Teil Frankreichs entkommt er mit seiner Frau Sofie [...] in den noch unbe- setzten Süden. [...] Dort schließt sich Erwin Neu auch der Widerstands- bewegung an“ [Ruch, 2010]. Ein we- sentliches Motiv war hierbei die schwierige Lage seiner Eltern: Ob- wohl Neu seinen Vater Emil und des- sen zweite Frau Clementine in den 1930er-Jahren wiederholt gedrängt hatte, Deutschland zu verlassen, waren jene in Offenburg verblieben. Am 22./23. Oktober 1940 wurden sie dann, gemeinsam mit anderen süd- westdeutschen Juden, ins besagte Camp de Gurs deportiert. Viele Häft- linge verstarben dort oder wurden ab August 1942 ins Vernichtungslager Auschwitz-Birkenau verbracht und dort vergast. Neu war bewusst, in welch prekärer Lage sich seine Eltern befanden. Doch er war in der Lage zu helfen: Im Rahmen eines Aufenthalts in La Châtre waren ihm vom dortigen Bürgermeister Papiere ausgestellt wor- den, die ihn als Franzosen auswiesen – wenngleich die eigentliche Einbür- gerung Neus erst 1945 erfolgen sollte. Besagte Papiere waren von großem Wert, weil es eine Bestimmung gab, wonach die Eltern von Franzosen aus jenen Camps zu entlassen waren. Tat- sächlich gelang es Neu dank dieser Papiere, Emil und Clementine Neu 1942 – gleichsam „in letzter Minute“ – aus besagtem Lager zu holen und so deren Deportation zu verhindern ZM-LESERSERVICE Die Literaturliste kann auf www.zm-online.de abgerufen oder in der Redaktion ange- fordert werden. zm 111, Nr. 23-24, 1.12.2021, (2307) PRAXIS für die PRAXIS Sicher IMPLANTIEREN nach 7 Modulen Kompetente und praxisnahe Anleitung – Start Frühjahr 2022! Gruppe mit max. 10 Teilnehmern Ready for the next Level Grundlagen Digitaler Workflow Augmentationstechniken Abrechnungsseminar Sofortbelastung + Parallelkurs für ZFAs Digitale Welt Live-OPs unter Supervision www.ful l-smi le.de kurs@ful l-smi le.de Mit Live-OPs 84-92 Fortbildungs- Punkte Nach Abschluss des Curriculums: Implementierung in den Praxisalltag und Unterstützung durch FULL SMILE und das Referententeam! Das Beste zum Schluss! GESELLSCHAFT | 57

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