Zahnärztliche Mitteilungen Nr. 01-02

terberufsordnung der Bundeszahn- ärztekammer (Stand: 16. November 2019) seitens des Zahnarztes nur dann erfolgen, wenn „a) eine Behandlung nicht gewissenhaft und sachgerecht durchgeführt oder b)die Behandlung ihm nach pflichtgemäßer Interessen- abwägung nicht zugemutet werden kann oder c) er der Überzeugung ist, dass das notwendige Vertrauens- verhältnis zwischen ihm und dem Patienten nicht besteht.“ Die Verpflichtung zur Hilfeleistung in Notfällen bleibt jedoch auch in diesen möglichen Konstellationen unberührt. In der Rechtsauffassung wird zu- sammenfassend festgestellt, dass es keine gesetzliche Grundlage gebe, nach der ein bestimmter Impf- oder Teststatus für eine Behandlung vorausgesetzt werden darf. Ferner müsse auch der Patient die Frage nach Impfung oder Test nicht be- antworten und es wird konstatiert, ein Zahnarzt dürfe gemäß der Berufs- ordnung „keinen Patienten ableh- nen, weil der möglicherweise unter einer Infektionskrankheit leidet oder zu einer bestimmten Bevölkerungs- gruppe – Ungeimpfte oder nicht Getestete – gehört“. Aus diesem rechtlichen Standpunkt ergeben sich indessen auch ethische Fragen oder Dilemmasituationen, die teils jenseits der berufsrechtlichen Vorgaben anzusiedeln sind, teils in diese hineingreifen beziehungsweise damit verschränkt sind. Abweichend vom üblichen Format möchten wir diese Fragen nicht in ein didaktisch konstruiertes Fallsetting einbauen, sondern direkt aus der dargelegten Rechtsposition ableiten. So sind die zahnärztlichen Kollegin- nen und Kollegen als Arbeitgeber etwa auch ihren Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern verpflichtet und müssen deren Wohlergehen und Gesundheit ebenfalls fest im Blick be- halten. Aber reicht dies aus, um unter „pflichtgemäßer Interessenabwägung“ vom Patienten zumindest einen Coronatest und damit Klarheit über den Infektionsstatus einzufordern? Was bedeutet es für das Vertrauens- verhältnis zwischen Zahnarzt und Pa- tienten, wenn diese nicht bereit sind, in der Zahnarztpraxis und damit im geschützten Raum der ärztlichen Schweigepflicht eine möglicherweise bestehende und auch für das be- handelnde Personal gesundheits- gefährdende Corona-Infektion anzu- sprechen? Und wäre es aus ethischer Sicht nicht möglich oder (gerade im Hinblick auf das Wohl des Behand- lungsteams) gar geboten, die nicht getesteten und damit möglicherweise mit einem höheren Risiko für alle Beteiligten behafteten Patienten zu- mindest vor elektiven und nicht zeit- kritischen Behandlungen einem Test zu unterziehen? \ SCHILDERN SIE IHR DILEMMA! Haben Sie in der Praxis eine ähnliche Situation oder andere Dilemmata erlebt? Schildern Sie das ethische Problem – die Autoren prüfen den Fall und nehmen ihn gege- benenfalls in diese Reihe auf. Kontakt: Prof. Dr. Ralf Vollmuth, vollmuth@ak-ethik.de Alle erschienenen Fälle sowie ergänzende Informationen zum Arbeitskreis Ethik finden Sie auf zm-online.de. AUFRUF KOMMENTAR 1 Die Patientenautonomie endet, wenn andere gefährdet werden Zunächst ist es zielführend, die der- zeit gültigen formalen Grundlagen bei der Behandlung von Patienten darzustellen. Neben dem Gesetz über die Ausübung der Zahnheilkunde kommt dabei der Musterberufsord- nung der Bundeszahnärztekammer vom 16. November 2019 mit den daraus abgeleiteten Berufsordnungen eine besondere Rolle zu. Zahnärzte und Zahnärztinnen dürfen es nicht zulassen, dass „Erwägungen von Alter, Krankheit oder Behinderung, Glaube, ethnischer Herkunft, Ge- schlecht, Staatsangehörigkeit, poli- OBERFELDARZT DR. DR. ANDRÉ MÜLLERSCHÖN Sanitätsversorgungszentrum Neubiberg Werner-Heisenberg-Weg 39 85579 Neubiberg andremuellerschoen@bundeswehr.org Foto: privat zm 112, Nr. 01-02, 16.1.2022, (15) POLITIK | 17

RkJQdWJsaXNoZXIy MjMxMzg=