Zahnärztliche Mitteilungen Nr. 01-02

zm 112, Nr. 01-02, 16.1.2022, (32) jeweils klonale Amplifikate. Immun- histochemisch war das Präparat stark CD138-positiv. Es stellten sich wenig eingestreute CD45-positive Zellen und wenige CD68-positive Makro- phagen dar. Die Antikörperfärbung gegen Ki67 wies auf eine gering ge- steigerte Proliferation hin, während die Untersuchung auf Kappa-Leicht- ketten eine kräftige Anfärbung bei nur schwacher Anfärbung mit Anti- körpern gegen Lambda-Leichtketten zeigte. Histopathologisch und immunhisto- chemisch passten die Befunde zu einem plasmazellulären Infiltrat mit immunhistochemischer Kappa- Leichtketten-Klonalität mit dem mo- lekularpathologischen Nachweis von B-Zell-Klonalität, was mit dem Krank- heitsbild eines Multiplen Myeloms oder eines Plasmozytoms vereinbar gewesen wäre. In Anbetracht dieses Befunds erfolgte die Vorstellung in der hämato-onkologischen Abteilung der Universitätsmedizin Mainz. Ent- sprechend erfolgte leitliniengerecht eine Ausbreitungsdiagnostik mittels Low-dose-Ganzkörpercomputertomo- grafie und einer Knochenmarkspunk- tion. Diese ergaben keinen Anhalt auf einen weiteren Fokus des Erkran- kungsbildes oder auf eine Infiltration des Knochenmarks, so dass von einem singulären Geschehen ausge- gangen werden musste und somit die Diagnose eines Plasmozytoms gestellt wurde. Nach der Besprechung des Falls im hämato-onkologischen Tumorboard wurde die Empfehlung für eine lokale Radiotherapie mit insgesamt 40 Gy in kurativer Intention ausgesprochen. Aufgrund des hohen Lockerungs- grades der Zähne 47 und 46 und der Lage im Zentrum des malignen Befunds wurde die Extraktion dieser Zähne in Lokalanästhesie zur Prophy- laxe einer Infektion unter Radio- therapie durchgeführt. Der weitere postoperative Verlauf gestaltete sich regelrecht, so dass die Strahlenthera- pie wie geplant durchgeführt werden konnte. DISKUSSION Das Multiple Myelom, in älteren Arbeiten auch Morbus Kahler ge- nannt, ist ein B-Zell-Non-Hodgkin- Lymphom. Der Begriff „Multiples Myelom“ muss als multilokuläres Krankheitsbild von einem solitären Prozess, dem Plasmozytom, unter- schieden werden – auch wenn die Begriffe häufig synonym verwendet werden. Das Krankheitsbild ist ge- prägt von einer monoklonalen Ver- mehrung einer Plasmazellpopulation, die abnorme monoklonale Antikörper beziehungsweise deren Leichtketten produziert [Schulz, 2017; Wörmann et al., 2018]. Die Ursache des Multi- plen Myeloms ist bis heute unklar. Zytogenetisch findet man bei etwa 40 Prozent der Patienten Trisomien [Wörmann et al., 2018]. Die Erkrankung betrifft bevorzugt Männer und tritt gehäuft zwischen dem 50. und dem 70. Lebensjahr auf. In Deutschland werden jährlich 3.600 Neuerkrankungsfälle bei Männern und 2.900 Neuerkrankungsfälle bei Frauen erstdiagnostiziert [Wörmann et al., 2018]. Je nach Befallsmuster unterscheidet man zwischen dem Multiplen Myelom mit einer diffusen Infiltration des Knochenmarks, dem Plasmozytom mit einem singulären Auftreten einer Plasmazellvermeh- rung und dem leukämischen Verlauf, der Plasmazell-Leukämie. Klassifiziert wird das Krankheitsbild entsprechend der produzierten monoklonalen Anti- körper. In der Hälfte der Fälle wird monoklonales Immunglobulin G – ein monomeres, reifes Immunglobu- lin – von den entarteten Plasmazellen gebildet. In einem Viertel der Verläufe kommt es zur übermäßigen Produk- tion von mono- oder dimerem Immunglobulin A und in 20 Prozent der Fälle zur Bildung monoklonaler Leichtketten, die auch als Bence- Jones-Protein bekannt sind [Schulz, 2017; Wörmann et al., 2018]. Das vermehrte Vorkommen mono- klonaler Antikörper beim Multiplen Myelom oder beim Plasmozytom muss abgegrenzt werden von der ab- normen Produktion der Immunglo- bulin-M-Antikörper, die im Rahmen eines anderen B-Zell-Non-Hodgkin- Lymphoms, des Morbus Walden- ström, gebildet werden. Dieses Krank- heitsbild ist sowohl klinisch als auch laborchemisch eine der relevanten Differenzialdiagnosen des Multiplen Myeloms [Schulz, 2017]. Wie im vor- liegenden Fall müssen bei solitär zystischen Befunden im Unterkiefer auch differenzialdiagnostisch ver- schiedene andere Knochenerkran- kungen abgegrenzt werden. Hierun- ter fallen in Anbetracht des radiolo- gischen Bildes insbesondere uni- und multilokuläre Aufhellungen wie epi- theliale und nicht-epitheliale Kiefer- zysten, benigne und maligne Tumore ossären oder anderen Ursprungs und tumorähnliche Veränderungen des Knochens. Zu nennen wären hier bei- spielsweise das Ameloblastom und die Keratozyste als benigne odonto- gene Tumore, das Osteosarkom, das Ewing-Sarkom, andere Lymphome oder ossäre Metastasen als maligne Tumore oder auch das Zentrale Rie- senzellgranulom, das den tumor- ähnlichen Knochenveränderungen zugeordnet wird [Anderson et al., 2013; Howaldt, 2016]. Klinisch können sich das Multiple Myelom und das Plasmozytom recht heterogen präsentieren. Von einem asymptomatischen Verlauf über eine B-Symptomatik (unspezifische Begleit- symptomatik bestehend aus den drei Symptomen Fieber, Nachtschweiß und Gewichtsverlust) bis hin zu ful- minanten Blutbildungsstörungen ist der Verlauf variabel und abhängig von der Ausprägung der Erkrankung. Durch die Verdrängung der Blutbil- dung kann eine Anämie mit den ent- sprechenden Symptomen Müdigkeit und Abgeschlagenheit entstehen. Eine Leukopenie kann, ebenso wie ein Antikörpermangelsyndrom aufgrund der massiven Produktion funktions- untüchtiger Antikörper, eine erhöhte Infektneigung bedingen. Die redu- zierte Bildung von Thrombozyten DR. MED. DIANA HEIMES Klinik und Poliklinik für Mund-, Kiefer und Gesichtschirurgie – plastische Operationen Universitätsmedizin Mainz Augustusplatz 2, 55131 Mainz Foto: privat 34 | ZAHNMEDIZIN

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