Zahnärztliche Mitteilungen Nr. 01-02

zm 112, Nr. 01-02, 16.1.2022, (56) INTERVIEW MIT PD DR. DANIEL HELLMANN „Nachhaltigkeit ist kein Modethema!“ Ein Viertel aller Todes- und Krankheitsfälle geht auf Umweltverschmutzung oder -zerstörung zurück. „An dieser Stelle sollte jedem Menschen klar werden, dass wir bei der Nachhaltigkeit nicht über ein Modethema sprechen“, sagt PD Dr. Daniel Hellmann, Direktor der Akademie für Zahnärztliche Fortbildung in Karlsruhe. Die Zahnmedizin ist indes oft noch außen vor. Ziel der Akademie ist daher, das Thema in den Köpfen der Kollegenschaft zu verankern. Wo sehen Sie einen Bezug zwischen Aspekten der Nachhaltigkeit und der Zahnmedizin? PD Dr. Daniel Hellmann: Bei dieser Frage ist zunächst zu hinterfragen, was wir unter dem Begriff der Nach- haltigkeit verstehen wollen. In der Akademie für Zahnärztliche Fortbil- dung Karlsruhe haben wir uns darauf verständigt, dass wir uns an der Agenda 2030 der Vereinten Nationen orientieren wollen. Von den darin postulierten 17 Nachhaltigkeitszielen sehen wir einen direkten Bezug der Zahnmedizin zu den Zielen Nr. 3 „Ge- sundheit und Wohlergehen“ und Nr. 13 „Maßnahmen zum Klimaschutz“. Vermutlich werden auch die meisten Leser den Begriff der Nachhaltigkeit mit Klima- und Umweltschutz in Verbindung bringen. Aber bedeutet Klima- und Umweltschutz tatsächlich (auch) Gesundheitsschutz? Der Einfluss der globalen Erwärmung auf die Gesundheit hat viele Aspekte. Häufig angeführt werden zum Beispiel eine steigende Allergenexposition, der Einfluss auf Herz-Kreislauf- Erkrankungen und besondere Heraus- forderungen durch hitzebedingte Arzneimittelwechselwirkungen. Aus der Klimaerwärmung resultieren Herausforderungen an die institutio- nelle Organisation des Gesundheits- wesens in den Bereichen der Präven- tion, der Begleitung von längerfristigen gesundheitlichen Beeinträchtigungen sowie für Ad-hoc-Interventionen in Hochrisikosituationen – wir reden hier in der Medizin also über die Notwen- digkeit einer strukturellen Anpassung in der Organisation unserer Gesund- heitsversorgung. Wenn Sie es global betrachten wol- len, ist festzustellen, dass in einigen wissenschaftlichen Publikationen rund ein Viertel aller Todes- und Krankheitsfälle auf eine von Men- schen gemachte Umweltverschmut- zung und -zerstörung zurückgeführt wird. An dieser Stelle sollte jedem Menschen klar werden, dass wir bei der Nachhaltigkeit nicht über ein Modethema sprechen. Wo sehen Sie den direkten Zusammenhang zur Zahnmedizin? Beim direkten Bezug zwischen Klima- schutz und Zahnmedizin gibt es defi- nitiv Forschungsbedarf. Gegenstand von Untersuchungen in der Vergan- genheit waren zum Beispiel der direkte Einfluss des Klimawandels auf die Modulation der Immunantwort auf einen dysbiotischen Biofilm oder der indirekte Einfluss von Allgemein- erkrankungen auf die Parodontitis. Ein Einfluss auf die Intensität der Beschwerden einer bestehenden CMD wird ebenfalls diskutiert. Es bleibt allerdings festzustellen, dass die hier angeführten Hypothesen einer vertiefenden Untersuchung bedürfen und noch nicht als tatsächlich gesi- chert betrachtet werden können. Wo sehen Sie in der Zahnmedizin die größten Möglichkeiten einer Reduktion des CO 2 -Fußabdrucks einer Praxis? Natürlich beginnt alles im Kleinen. In der Praxis kann mithilfe von Ein- sparungen an Energie, dem schonen- den Umgang mit Ressourcen und der Vermeidung von Abfall schon viel getan werden. Allerdings zeigen erste wissenschaftliche Daten aus der PD DR. DANIEL HELLMANN PD Dr. Daniel Hellmann ist Direktor der Akademie für Zahnärztliche Fortbildung Karlsruhe Foto: Markus Lehr 58 | POLITIK

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