Zahnärztliche Mitteilungen Nr. 3

zm112, Nr. 3, 1.2.2022, (174) scheiden. Das Autorenteam schließt deshalb eine anatomische Variation aus. Ein Blick in historische Anatomiestudien und -lehrbücher zeigt, dass der Aufbau des M. masseter bereits in der Vergangenheit Fragezeichen aufwarf: In einer Ausgabe des Standardwerks „Gray’s Anatomy“ aus dem Jahr 1995 beschreiben die Herausgeber den M. masseter ebenfalls als dreischichtig, wobei die zitierten Studien allerdings auf der Kiefermuskulatur anderer Spezies beruhten und einander teils widersprachen. Weitere vereinzelte Studien aus den frühen 2000er-Jahren berichteten zwar gleichfalls von drei Schichten, diese unterteilten aber den oberflächlichen Anteil des Masseters in zwei Schichten, während die Beschreibung des tieferen Anteils den Standardwerken entsprach. DIESER TEIL KANN UNTERKIEFER-RETRUSION Die Anordnung der Muskelfasern lasse vermuten, dass diese Schicht maßgeblich an der Stabilisierung des Kiefergelenks beteiligt ist. Besonders hervorzuheben ist, dass die Pars coronoidea der einzige Teil des M. masseters zu sein scheint, der den Unterkiefer zurückziehen kann (Retrusion). Durch die gemeinsame Innervation bilden die drei Muskelschichten ein perfektes Zusammenspiel. „Die koronoiden und die hinteren Teile des tiefen Anteils können synergetisch zusammenarbeiten, um den Unterkiefer anzuheben. Gleichzeitig verläuft die Richtung der Fasern des koronoiden Anteils fast senkrecht zu den Fasern des oberflächlichen Kaumuskels, wodurch ein Kreuzmuskel entsteht, bei dem die beiden Schichten antagonistisch arbeiten können, indem sie den Kiefer entweder zurückziehen oder vorschieben“, fassen die Forschenden zusammen [Mezey et al., 2021]. Die Erkenntnisse sind besonders im Hinblick auf craniomandibuläre Dysfunktionen und Bruxismus spannend und sicherlich Gegenstand zukünftiger Forschungen. nl Originalpublikation: Mezey SE, Müller-Gerbl M, Toranelli M, Türp JC: The human masseter muscle revisited: First description of its coronoid part. Ann Anat. 2021 Dec 2;240:151879. doi: 10.1016/j.aanat.2021.151879. Epub ahead of print. PMID: 34863910. Abb. 2: Schematische Darstellung der Pars coronoidea (C), der Pars profunda (P) und der Pars superficialis (S) Foto: Jens C. Türp, UZB Abb. 3: Die Abbildung stammt aus der dritten Auflage von Toldts Anatomischen Atlas (1908), in dem der tiefe Teil des M. masseter noch als oberflächlicher Anteil des M. zygomaticomandibularis markiert worden ist. Foto: Carl Toldt: Anatomischer Atlas für Studierende und Ärzte (Urban & Schwarzenberg, Berlin und Wien, 1908) 20 | ZAHNMEDIZIN

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