zm112, Nr. 3, 1.2.2022, (194) NDR-RECHERCHE So arbeiten gewerbliche Aligner-Start-ups! Gerade Zähne für wenig Geld – damit werben Aligner-Start-ups in Castingshows und sozialen Netzwerken. Dabei werden medizinische Standards unterschritten, berichtet der NDR und zeigt mögliche Komplikationen. Was diese Unternehmen machen, hat nichts mit Zahnmedizin zu tun”, betont Dr. Ralf Hausweiler, Präsident der Zahnärztekammer Nordrhein den Mitte Dezember 2021 ausgestrahlten Bericht von NDR Markt. Darin berichtet Dr. Luzie Braun-Durlak von einer bei ihr in Behandlung befindlichen, geschädigten Patientin und unterzieht die drei Anbieter SmileDirectClub (SDC), DrSmile und PlusDental einem Test. Dafür wird sie von einer von ihr eingehend untersuchten Lockvogelpatientin zu den Erstterminen begleitet. Anschließend bewertet die Hamburger Kieferorthopädin die Befundungsqualität und Behandlungspläne. Ihr abschließendes Urteil ist vernichtend: „Ich bin geschockt.” Der Bericht deckt stichprobenartig die Unstimmigkeit zwischen den Werbeversprechen der Anbieter und deren Diagnose- und Behandlungsqualität auf: Mit der günstigeren Fern-Behandlung inklusive Verlaufskontrollen via Internetkommunikation könne jede Fehlstellung leicht korrigiert werden, lautet unisono die Botschaft der Anbieter. Offensichtlich gilt dies nicht immer: Laut BraunDurlak ist die im Bericht begleitete, von DrSmile geschädigte Patientin kein Einzelfall. Sie habe mindestens einen Neupatienten pro Woche, der ihre Praxis aufsucht, um Schmerzen oder sonstige Beeinträchtigungen beheben zu lassen, die im Verlauf einer Behandlung bei einem Aligner-Startup aufgetreten sind. ALLE ANBIETER VERZICHTEN AUFS RÖNTGEN Dann unterzieht das Team die Anbieter einem verdeckten Test. BraunDurlak besucht dazu mit einer NDRJournalistin – die als potenzielle Patientin auftritt – von SDC, DrSmile und PlusDental angemietete Räume in Zahnarztpraxen zum Ersttermin. Ergebnis: Alle Anbieter verzichten auf eine Röntgenaufnahme. Ein Unding, lautet Braun-Durlaks Bewertung. Auf Nachfrage der zm teilt DrSmile mit, bei jedem Patienten werde bei der Erstbefundung neben Anamnese und Intraoralscan „natürlich auch ein Röntgenbild“ erstellt – mit der Einschränkung „sofern erforderlich“. PlusDental antwortet unter anderem, in diesem Fall habe man kein Röntgenbild angefertigt, „da [...] keine rechtfertigende Indikation für ein Röntgenbild nach der geltenden Gesetzgebung“ vorlag und verweist auf § 83 Abs. 3 des Strahlenschutzgesetzes und § 119 der Strahlenschutzverordnung. Weiter heißt es: „Anders als von der zahnärztlichen oder kieferorthopädischen Lobby immer wieder GESCHÄDIGTE CELINE IST KEIN EINZELFALL Der vom NDR geschilderte Fall der geschädigten Patientin ist kein Einzelfall – und das Problem ist auch nicht auf DrSmile begrenzt: Stephan Gierthmühlen, Rechtsanwalt und Geschäftsführer des Berufsverbands der Deutschen Kieferorthopäden (BDK), betreut nach eigener Aussage allein„eine zweistellige Zahl von geschädigten Patienten von DrSmile und PlusDental“ – und deren Anzahl wachse ständig. „Bei uns kommen in jeder Woche Anfragen von Patienten an“, berichtet Gierthmühlen. Er sei daher froh, dass der BDK die Anwälte des Beratungsnetzwerks „Medizinrechtsanwälte e.V.“ für eine Kooperation gewinnen konnte, um die Fülle an Anfragen zu bearbeiten. Dort können sich die Patienten an einen Vertrauensanwalt wenden und sich unverbindlich und kostenlos beraten lassen. Aufgrund zunehmender Schmerzen und Schwierigkeiten beim Essen brach Patientin Celine ihre Behandlung beim Aligner-Anbieter DrSmile ab, berichtete der NDR. Anschließend begab sie sich in Behandlung bei der niedergelassenen Kieferorthopädin Dr. Luzie Braun-Durlak. Deren Bewertung: Ein behandlungsbedürftiger Fehlbiss wurde nicht erkannt und die Situation durch die Zahnschienen des Abieters soweit verschlimmert, bis es „am Ende aus medizinischer Sicht eine totale Katastrophe war“. Foto: NDR Markt, Sendung vom 13. Dezember 2021
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