zm112, Nr. 3, 1.2.2022, (195) behauptet, ist es nicht notwendig, bei allen PatientInnen ein Röntgenbild anzufertigen – allein schon aufgrund der Strahlenbelastung.“ SDC äußerte sich nicht zu den Fragen der zmRedaktion. Den NDR ließ das Unternehmen wissen, Röntgenbilder würden nur angefertigt, wenn dies „vom behandelnden Zahnarzt für erforderlich erachtet wird”. Zweimal führten ZFA die Befundung und den Intraoralscan allein durch, ein No-Go, findet Braun-Durlak. Nur bei PlusDental erfolgt die Erstuntersuchung durch einen Zahnarzt. Bei der Bewertung der anschließend zugesandten digitalen – zwischen 1.650 und 2.490 Euro teuren – Behandlungspläne schneidet PlusDental etwas besser ab als die Mitbewerber. Trotzdem ist das Gesamtergebnis ernüchternd. Zwei der drei Pläne hält die Expertin für unrealistisch, beim dritten erscheint es ihr „machbar“, dass das Diastema der Patientin geschlossen wird – allerdings zu dem Preis, dass an anderer Stelle im Zahnbogen eine Lücke entsteht. Immerhin: Das war von PlusDental im Vorgespräch so auch angedeutet worden. Vom NDR damit konfrontiert, erklärte SmileDirectClub, die Behandlungspläne würden in einem zentralen Labor in Costa Rica erstellt und von einem „Smiles of Germany“-Zahnarzt ausgewertet, geprüft und freigegeben. Und eine medizinische Einschätzung sei immer subjektiv und obliege dem Behandler. DrSmile erwiderte auf die Kritik am Niveau von Erstuntersuchung und Behandlungsplan, es erfolge stets auch eine persönliche Kontrolluntersuchung, soweit diese im Einzelfall mal nicht stattfinde, habe der Patient im Vorfeld erklärt, kein weiteres Interesse mehr an einer Behandlung zu haben. Und: „Die Behandlungsplanung entspricht immer dem individuellen Erfahrungsschatz des Behandlers, dessen berufliche Eigenständigkeit wir natürlich respektieren.” ERSTUNTERSUCHUNG IN DER ABSTELLKAMMER Vom NDR zurate gezogene Experten wie Prof. Peter Proff, Präsident der Deutschen Gesellschaft für Kieferorthopädie (DGKFO), und Konstantin von Laffert, Vizepräsident der Bundeszahnärztekammer (BZÄK), stellen die Rückmeldungen der Anbieter nicht zufrieden – und Braun-Durlaks Fazit lässt keinen Interpretationsspielraum. „Ich bin geschockt”, sagt sie. „Geschockt, was mit Menschen gemacht wird, wie mit diesem sensiblen Kausystem und der Gesundheit von Menschen umgegangen wird.” Nicht weniger irritiert war die Kieferorthopädin, als sie selbst einmal Kontakt mit einem Mitarbeiter von SDC hatte, der ihr anbot, einen Raum ihrer Praxis für die Ersttermine des Unternehmens zu mieten. „Es wurde gleich gesagt, [...] das kann auch eine Abstellkammer sein. Irgendwelche Vorgaben bezüglich Hygienevorschriften oder Nutzungsgenehmigung brauche er nicht zu erfüllen. Dort werde von SDC ein Scanner mit einer von der Firma bezahlten ZmF reingesetzt, die die Scans macht und entscheidet, ob ein Röntgenbild gemacht werden muss“, erzählt Braun-Durlak. Das Angebot: Sie bekomme ab einer bestimmten Anzahl von begonnenen Behandlungen eine Umsatzbeteiligung – eine Leistung müsse sie dafür nicht erbringen. DRSMILE: MARKETING KOSTET 500 BIS 700 EURO PRO KUNDE Auch das Verbraucherformat „Offen un‘ ehrlich“ des Content-Netzwerks „Funk“ von ARD und ZDF hat DrSmile unter die Lupe genommen (https:// bit.ly/zm_DrSmile). Dabei ging es jedoch weniger um die Behandlungsqualität als vielmehr um die Geschäftspraxis. Den Journalisten zufolge versucht der Anbieter, Interessenten mit einer Flut von Anrufen, E-Mails, SMS sowie extrem kurzzeitigen Rabattaktionen („nur heute“) zu überrumpeln und zum Vertragsabschluss zu drängen. Zur Überprüfung der Geschäftspraktiken von DrSmile rekrutierte das Team von Offen un‘ ehrlich Ende 2021 drei junge Menschen, die als vermeintliche Kunden Ersttermine in Partnerpraxen von DrSmile wahrnahmen – und dabei Abenteuerliches erlebten. Zeigten die sie ein als übertrieben wahrgenommenes Interesse oder stellten zu viele Nachfragen, bekamen sie keinen Arzt zu sehen. Ein übliches Vorgehen, kommentierte DrSmile-Gründer Jen Urbaniak das Vorgehen im Interview – schließlich sei man „Shadow-Besuche“ durch Journalisten oder die Konkurrenz gewohnt und die Teams entsprechend sensibilisiert. Der Kontakt zum Kundenberater war in der Folge umso ausgiebiger: In einem Fall erhielt ein Lockvogel-Kunde 15 E-Mails, zehn Anrufe und neun SMS. Saftige Rabatte sollten zum Vertragsabschluss – in einem Fall wurde ein Abschlag von 600 Euro auf den Behandlungspreis von knapp 2.500 Euro angeboten. Das Start-up, das seit Juli 2020 mehrheitlich der Straumann-Gruppe gehört, investiert seinen Angaben zufolge im Durchschnitt 500 bis 700 Euro pro Kunde für das Marketing, darunter TV-, Social-Media- und Influencer-Werbung, bis es zum Vertragsabschluss kommt. Für jeden dieser Abschlüsse erhalten die von den Journalisten als aufdringlich empfundenen Kundenbetreuer Provisionen, räumt Urbaniak ein. So viel wirtschaftlicher Druck macht offenbar kreativ: So wurde noch 2021 mit dem unzulässigen Erfolgsversprechen eines „perfekten Lächelns“ und einem Gütesiegel des TÜV Saarland geworben, das sich aber gar nicht auf die Behandlung selbst, sondern lediglich auf den technischen Standard der Website bezog. Nachdem der Verbraucherzentrale Bundesverband die irreführende Verwendung des Gütesiegels anmahnte, verschwand die Auszeichnung. Während Urbaniak in einem früheren Podcast die Authentizität von genutzten Influencern als zwingend bezeichnete, genügt es für ihn heute, dass Werbefigur Annemarie Carpendale den Markenkern repräsentiert. Eine Behandlung bei DrSmile hat die TV-Moderatorin nicht durchführen lassen. POLITIK | 41
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