Zahnärztliche Mitteilungen Nr. 3

zm112, Nr. 3, 1.2.2022, (226) DAYLIGHT FOR ALL „Im Syrienkrieg galt mein hippokratischer Eid als unethisch“ Hassan Durmush Seit einem Jahrzehnt zerstört der Bürgerkrieg in Syrien das Land und macht Millionen Menschen zu Geflüchteten. Offiziell gelangten 3,6 Millionen von ihnen in die Türkei. Werden sie krank, halten Bürokratie, Sprachbarrieren und nicht zuletzt die hohen Kosten viele von einer medizinischen Untersuchung und Behandlung ab. Seit 2020 versuchen wir mit unserer auf diese Patienten spezialisierten Praxis dort anzusetzen und zu helfen. Der grausame Syrienkonflikt, der im März 2011 begann, scheint kein Ende zu nehmen. Millionen sind ins Ausland geflüchtet. Gemäß den offiziellen Zahlen der Vereinten Nationen hat allein die Türkei 3,6 Millionen registrierte syrische Flüchtlinge aufgenommen. Obwohl sich in den vergangenen Jahren die medizinische Versorgung dort weiterentwickelt hat, ist sie hinsichtlich der notleidenden Geflüchteten nicht zufriedenstellend. Insbesondere im Bereich Zahnmedizin sehen wir großen Handlungsbedarf, da zahnärztliche Versorgungen im Unterschied zu anderen medizinischen Versorgungen von den Geflüchteten selbst getragen werden müssen. Das ist eine schwerwiegende Hemmschwelle für oft dringend notwenige Behandlungen. Diesen Missstand habe ich selbst beobachtet. Noch zwei Jahre nach Beginn des Konflikts hatte ich meine eigene Zahnarztpraxis in Aleppo. Doch aufgrund des Krieges, in dessen Verlauf mir mein hippokratischer Eid nicht als tugendhafte Ethik, sondern seitens der verschiedenen bewaffneten Akteure als „unethische“ und „illegitime“ Unterstützung der jeweils anderen Seite ausgelegt wurde, musste ich diese schließen. Ich flüchtete dann selbst in die Türkei und begann 2013 in einer Ankaraner Gemeinschaftspraxis zu arbeiten. Dort bemerkte ich bald die Benachteiligung der Geflüchteten bei der Inanspruchnahme zahnmedizinischer Dienstleistungen. Da das Geld für eine entsprechend der Diagnose angemessene Behandlung oft nicht ausreichte, wurde nicht selten eine unkompliziertere und günstigere, jedoch häufig zum Nachteil des Patienten ausgerichtete Behandlung durchgeführt. So entschieden sich Kollegen eher für eine Extraktion als für eine kostspieligere, jedoch zahnerhaltende Wurzelbehandlung. DIE ERSTE PRAXIS FÜR GEFLÜCHTETE IN ANKARA Als ich 2014 nach Deutschland kam und hier meine Approbation erlangte, verfolgte ich die weiterhin steigende Zahl der Kriegsflüchtlinge in der Türkei. Mittlerweile leben allein in Ankara knapp 100.000 syrische Geflüchtete. Also entschied ich, nun doch vor Ort aktiv zu werden, und erhielt – nach einer bürokratischen Odyssee – im Januar 2020 die offizielle Genehmigung für die erste anerkannte, auf Geflüchtete ausgerichtete Zahnarztpraxis in Ankara. Unser Antrieb: Krankheit und Schmerzen sollten nicht mehr Teil der ohnehin erschwerten Lebensbedingungen der Menschen sein. Hier setzt die von uns in Leben gerufene Organisation an: Die „Daylight for all gUG“ habe ich gemeinsam mit Dr. Hassan Durmush bei der Behandlung in der Praxis in Ankara. Das Behandlungszimmer DR. HASSAN DURMUSH Praxis für Geflüchtete in Ankara und Freiberufler/Honorararzt in Essen info@daylight-for-all.de Foto: Daylight for all 72 | GESELLSCHAFT

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