Zahnärztliche Mitteilungen Nr. 4

zm112, Nr. 4, 16.2.2022, (306) FORTBILDUNG „DIE EINZELZAHNLÜCKE – OPTIONEN DER VERSORGUNG“ Zwischen Zahnerhalt und Lückendesign: die Zahnextrusion Ralf Krug, Sebastian Soliman, Gabriel Krastl Vor jeder Einzelzahnlücke steht die Diagnose eines „hoffnungslosen“, nicht mehr erhaltungswürdigen Zahns. Viele Patienten wünschen sich jedoch, dass jede Möglichkeit der Zahnerhaltung genutzt wird. Die bislang in der Praxis selten angewandte Zahnextrusion bietet die Chance, selbst Zähne mit tiefen Defekten erfolgreich zu behandeln und zu erhalten. Die kieferorthopädische Extrusion bietet zudem den Vorteil, dass im Fall des Zahnverlusts eine „augmentierte“ Einzelzahnlücke verbleibt, die eine weitere implantologische Versorgung erleichtern kann. Tief zerstörte, mit konventionellen Methoden nicht restaurierbare und daher nicht erhaltungswürdige Zähne werden oftmals extrahiert und führen bei einer ansonsten geschlossenen Zahnreihe zu einer Einzelzahnlücke. Während bei einer Extraktion – mit der Absicht der Zahnentfernung – das umliegende Hart- und Weichgewebe bestmöglich geschont werden soll, gilt es bei einer Zahnextrusion – mit dem therapeutischen Ziel des Zahnerhalts – auch den Schaden auf die Wurzeloberfläche so gering wie möglich zu halten. Bei einer pro Zahnerhalt beabsichtigten Extrusion wird die Zahnwurzel um wenige Millimeter nach koronal verlagert. Dies kann entweder einzeitig auf chirurgische Weise durch eine vollständige Zahnentfernung aus der Alveole mit unmittelbarer Replantation in einer koronaleren Position erfolgen oder auf „kieferorthopädische“ Weise durch konstanten Zug auf den Faserapparat mithilfe von Magneten oder Gummizügen. Die Koronalverlagerung der Zahnwurzel erleichtert bei beiden Vorgehensweisen erheblich die stabile restaurative Versorgung des Zahnes unter Vermeidung einer Einzelzahnlücke. Die Zahnextrusion stellt somit eine Alternative zur weit verbreiteten chirurgischen Kronenverlängerung dar, die den Verlauf der Gingiva verändert und daher oftmals ästhetische Nachteile verursachen kann. In diesem Beitrag werden etablierte Techniken, Voraussetzungen und Erfolgsmöglichkeiten der Zahnextrusion beschrieben, aber auch deren Limitationen und Komplikationen benannt. Insbesondere bei Zähnen nach dentalem Trauma mit KronenWurzel-Fraktur von noch im Wachstum befindlichen Patienten oder bei bereits endodontisch behandelten Zähnen mit hohem koronalem Substanzverlust kann mit einem technisch und biologisch erfolgreichen Extrusionsverfahren der Zahnerhalt auch in schwierigen Fällen gelingen. ZAHNERHALT IM GRENZBEREICH Traumatisierte Zähne mit tiefen, bis zum Alveolarknochen reichenden Defekten gelten als schwer zu restaurieren. In der Traumatologie betrifft dies Kronen-Wurzel-Frakturen oder zervikale Wurzelquerfrakturen. Zähne mit kariesbedingt hohem koronalem Zahnhartsubstanzverlust gehören ebenfalls dazu. Eine sichere Trockenlegung für den präendodontischen Aufbau und eine dichte Kofferdamanwendung sind bei derartig massiv geschädigten Zähnen kaum möglich. Adäquate endodontische Maßnahmen wären somit kaum durchführbar. Zudem gestalten sich sowohl direkte Kompositaufbauten als auch indirekte Versorgungen äußerst schwierig. Wird mit einem krestal gelegenen Restaurationsrand die biologische Breite unterschritten, verursacht dies chronische Entzündungsprozesse. Zudem ist bekannt, dass bei Überkronungen endodontisch behandelter Zähne ein „ferrule-design“ von 2 mm in gesunder Zahnhartsubstanz erzielt werden sollte [Naumann et al., 2018]. CME AUF ZM-ONLINE FBT „Die Einzelzahnlücke“: Zwischen Zahnerhalt und Lückendesign – die Zahnextrusion Für eine erfolgreich gelöste Fortbildung erhalten Sie zwei CME-Punkte der BZÄK/DGZMK. Quelle: Sebastian Soliman Abb. 1: Insuffizient adhäsiv wiederbefestigtes Fragment nach Kronen-Wurzel-Fraktur und endodontischer Therapie 40 | ZAHNMEDIZIN

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