Zahnärztliche Mitteilungen Nr. 4

zm112, Nr. 4, 16.2.2022, (309) Papille angegeben [Llaquet et al., 2021]. Diese Gewebe werden geschont und erfahren keine Traumata, wie dies bei einer chirurgischen Kronenverlängerung unvermeidbar geschieht [Behring et al., 2017; Lanning et al., 2003]. Indiziert ist die Extrusion vor allem bei einwurzeligen Zähnen in ästhetisch relevanten Bereichen. Biologisch betrachtet liegen solide und langzeitstabile Resultate zu dieser Technik vor. Einer aktuellen Übersichtsarbeit zufolge, basierend auf elf klinischen Studien, kann ein Behandlungserfolg mit parodontaler Heilung der Wurzel in 95 bis 100 Prozent der Fälle nach chirurgischer Extrusion erwartet werden [Plotino et al., 2020]. Eine weitere Übersichtsarbeit fokussiert auf die Häufigkeit von Komplikationen nach chirurgischer Extrusion. Den verfügbaren Daten zufolge liegt das Risiko für Zahnverlust bei fünf Prozent, das für progressive Wurzelresorptionen bei drei Prozent. Ein marginaler Knochenabbau ist ebenfalls eine seltene Komplikation (weniger als vier Prozent der Fälle). Nicht progressive Wurzelresorptionen werden mit circa 30 Prozent zwar recht häufig beobachtet, diese sind allerdings selbstlimitierend und gefährden nicht den Zahnerhalt [Elkhadem et al., 2014]. In einer eigenen klinischen Studie mit einer mittleren Beobachtungszeit von 3,1 Jahren wurde eine erfolgreiche Extrusion bei 47 von 51 Zähnen evaluiert [Krug et al., 2018]. Zusammenfassend gilt, dass kaum negative Folgen, die den Zahnerhalt ernsthaft gefährden könnten, mit dieser Technik assoziiert sind. Die biologische Komplikationsrate kann trotz der vermeintlichen Invasivität der chirurgischen Extrusion als eher gering eingestuft werden. Die wesentliche technische Komplikation stellt das unverhältnismäßige Erweitern des Wurzelkanals für die Retention des Zughilfsmittels – zum Beispiel der Benex-Schraube – dar. Der Behandler sollte hier unter besonderer Vorsicht den bereits instrumentierten und präparierten (vorgegebenen) Wurzelkanal als Bohr- und Zugpfad für die Extrusion nutzen. Auf die Schonung der gesunden Zahnhartsubstanz muss geachtet werden. Die Bohrachse für die Ausrichtung der Zugschraube muss mit dem koronal gelegenen Hauptpfad des Wurzelkanals übereinstimmen. Zudem ist für das Erzielen einer ausreichenden Retention der Schraube ein gewisses Maß an Feingefühl und Taktilität vom Behandler erforderlich. Eine neue Schraube erfüllt die Vorbedingung eines schneidfreudigen Gewindes und damit eines guten Halts im Zahn am besten. KIEFERORTHOPÄDISCHE EXTRUSION TECHNIK Eine sehr gewebeschonende, jedoch zeitlich aufwendigere Technik zur Generierung eines Ferrule-Effekts bei tief zerstörten Zähnen ist die kieferorthopädische Extrusion [Bondemark et al., 1997; Brandt, 2016; Krastl, 2004; Carvalho et al., 2006; Hergt und Christofzik, 2017; Mehl et al., 2017; Wirsching, 2011]. Diese Technik ist prädestiniert für die ästhetische Zone, da hier im Gegensatz zu anderen invasiveren Techniken kein Gewebeverlust auftritt. Vielmehr kann durch den langsamen Extrusionszug vermittelt über den parodontalen Faserapparat eine Migration des Hartund Weichgewebes (falls gewünscht) induziert werden. Wird während der Extrusionsphase das parodontale Ligament regelmäßig durchtrennt, findet folglich keine Gewebsmigration statt [Carvalho et al., 2006]. Als Hilfsmittel, die die Zugkräfte auf die betroffenen tief zerstörten Zähne übertragen können, eignen sich spezielle Magnet- oder Gummizug-Systeme (zum Beispiel Neodym-Scheibenmagnete; TMC Extrusion, Komet GmbH) (Abbildungen 12 und 13). Bei Quelle: Sebastian Soliman Abb. 7: Fünf-Jahres-Kontrolle nach erfolgreicher chirurgischer Zahnextrusion von 21 mit parodontal physiologischen Strukturen Abb. 8: Zustand nach Kronen-Wurzel-Frakturen an 24 und 25 bei einer 19-jährigen Patientin Foto: Ralf Krug ZM-LESERSERVICE Die Literaturliste kann auf www.zm-online.de abgerufen oder in der Redaktion angefordert werden. ZAHNMEDIZIN | 43

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