Zahnärztliche Mitteilungen Nr. 4

zm112, Nr. 4, 16.2.2022, (312) FORTBILDUNG „DIE EINZELZAHNLÜCKE – OPTIONEN DER VERSORGUNG“ Konservierende Interventionen zum Schließen von Zahnlücken Hans Jörg Staehle, Caroline Sekundo, Cornelia Frese Kleinere Zahnformänderungen aus Komposit werden heute bereits häufig für ästhetische Korrekturen eingesetzt. Man kann mit Verbreiterungen und Anhängern jedoch auch ganze Einzelzahnlücken direkt schließen. Diese Methode ist nahezu noninvasiv, lässt sich bei Bedarf jederzeit auf die Ausgangssituation zurücksetzen und erweitert die Optionen der frugalen Zahnmedizin. Bei einer Einzelzahnlücke im Seitenzahnbereich steht – unabhängig von deren Ursache – im Rahmen der Beratung und Planung zunächst eine wichtige Entscheidung zwischen zwei Alternativen an: \ Belassen und Beobachten (Monitoring) oder \ Lückenschluss. Bevor auf die konservierenden Optionen zum Schließen von Einzelzahnlücken eingegangen wird, sollen zunächst die Vor- und Nachteile einer abwartenden Vorgehensweise eine Würdigung finden. BELASSEN UND BEOBACHTEN VON LÜCKEN (MONITORING) Seitenzahnlücken bedürfen bekanntlich nicht unbedingt einer zahnärztlichen Intervention. Oftmals existieren sie über Jahrzehnte, ohne dass klinisch relevante funktionelle, ästhetische oder sonstige Einbußen auftreten [Kiliaridis et al., 2000; Craddock und Youngson, 2004; Shugars et al., 2004; Christou und Kiliaridis, 2007]. Insbesondere dann, wenn die Zahnreihen hinreichend abgestützt sind, kommt es häufig nicht oder nur in geringem Umfang zu unerwünschten Folgen wie beispielsweise Elongationen der Antagonisten (in vertikaler Richtung) oder Zahnwanderungen/ Kippungen (in sagittaler Richtung). \ Elongationen von Zähnen ohne Antagonisten sind ein bekanntes Phänomen, dem durch frühzeitigen Lückenschluss in der Gegenzahnreihe begegnet werden kann. Einer Studie von Kiliaridis et al. zufolge führen antagonistenlose Zähne (Molaren) allerdings – entgegen weit verbreiteter Vorstellungen – häufig nicht zu derart weitreichenden Stellungsänderungen, dass damit klinisch relevante Probleme oder Funktionsstörungen verbunden wären [Kiliaridis et al., 2000]. \ Im Fall von Lücken treten zuweilen starke Zahnwanderungen (Kippungen) auf, die unter anderem funktionelle Einschränkungen oder parodontale Probleme nach sich ziehen können. Gragg et al. haben allerdings festgestellt, dass es nach der Extraktion von Zähnen im Seitenzahnbereich, die zu Schaltlücken geführt haben, innerhalb von zwei Jahren durchschnittlich lediglich zu einer Distanzminderung von weniger als 1 mm kommt. Anschließend sind in der Regel kaum noch Veränderungen zu beobachten [Gragg et al., 2001]. \ Was die Knochenresorption am Alveolarknochen post extractionem betrifft, so besteht hier eine stark unterschiedliche Ausprägung, die unter anderem von der Technik der Extraktion abhängig ist. Sie beträgt je nach Zahntyp und Lokalisation im ersten Jahr durchschnittlich zwischen 0,87 und 3,61 mm [Couso-Queiruga et al., 2021]. Ob es bei Einzelzahnlücken regelhaft zu klinisch relevanten Inaktivitätsatrophien kommt und ob diese beispielsweise durch eine postulierte „osteoprotektive“ Wirkung von Implantaten behoben werden können, wird in der Literatur angezweifelt [Kern und Wohlfahrt, 2018]. Dies alles deutet darauf hin, dass man bei der Entscheidung, welche Maßnahmen bei Vorliegen eines Lückengebisses adäquat erscheinen, einer Vielzahl von Einzelfaktoren Beachtung schenken muss. Viele Menschen weisen jedenfalls Zahnlücken auf, ohne dass die Kaufunktion, das Aussehen, die Knochenverhältnisse oder der Zustand der übrigen Zähne (Hartsubstanzen, Endodont, Parodont) deutlich beeinträchtigt wären. Auch die Vorstellung, dass Zahnlücken automatisch Kiefergelenkserkrankungen oder andere Folgeschäden nach sich ziehen, kann heute nicht mehr ohne Weiteres aufrechterhalten werden. Listl et al. konnten zeigen, dass bei der Empfehlung zu einem Lückenmonitoring CME AUF ZM-ONLINE FBT „Die Einzelzahnlücke“: Konservierende Interventionen zum Schließen von Zahnlücken Für eine erfolgreich gelöste Fortbildung erhalten Sie zwei CME-Punkte der BZÄK/DGZMK. 46 | ZAHNMEDIZIN

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