Zahnärztliche Mitteilungen Nr. 4

zm112, Nr. 4, 16.2.2022, (330) ZM-REIHE KARRIEREN IM AUSLAND Rudolf Kronfeld – in der Heimat ignoriert, in den USA hochgeehrt Dominik Groß, Katharina Reinecke Der Wiener Zahnarzt Rudolf Kronfeld emigrierte 1929 nach Chicago und startete an der Loyola Universität eine beeindruckende wissenschaftliche Karriere. 1939 wurde er als erster deutschsprachiger Fachvertreter zum Präsidenten der „International Association for Dental Research“ (IADR) designiert. Zum Amtsantritt sollte es jedoch nicht mehr kommen. Rudolf Kronfeld wurde am 10. Dezember 1901 in Wien geboren. Er war der Sohn des bekannten jüdischen Zahnarztes Robert Kronfeld senior (1874–1946), der Neffe des bekannten Botanikers und Kulturredakteurs Ernst F. Moritz Kronfeld (1865–1942) und außerdem Neffe des Psychiaters Adolf Kronfeld (1861–1938). Letzterer war Mitbegründer des Wiener Ärzteorchesters, Redakteur der „Wiener Medizinischen Wochenschrift“ und ehrenamtlicher Veranstalter internationaler medizinischer Fortbildungskurse. Zudem war Rudolf Kronfeld der Bruder des Segelfliegers Robert Kronfeld jun. (1904–1948), der etliche Rekorde aufstellte – er überquerte unter anderem 1931 erstmals den Ärmelkanal in beide Richtungen – und eine so hohe Bekanntheit erreichte, dass 1959 posthum die „Kronfeldgasse“ in Wien nach ihm benannt wurde. Die meisten Familienmitglieder – unter ihnen auch Rudolf Kronfeld – waren vom Judentum zum Christentum konvertiert. 1920 schrieb sich Kronfeld nach der Matura an der Universität Wien für das Fach Medizin ein. Sechs Jahre später konnte er das Studium mit der Promotion zum Dr. med. beenden. Anschließend durchlief er am Zahnärztlichen Institut der Wiener Universität bei Prof. Rudolf Weiser (1859–1928) eine Weiterbildung in der Zahnheilkunde, die er als Facharzt für Zahn-, Mund- und Kieferkrankheiten abschloss [Kremenak/ Squier, 1997; Reinecke et al., 2019]. Er gehörte in jenem Institut der Arbeitsgruppe von Bernhard Gottlieb (1885–1950) an, der dort die histopathologische Abteilung leitete. Zuvor hatte Kronfeld bereits bei dem Histologen Julius Tandler (1869– 1936) und dem Pathologen Carl Julius Rothberger (1871–1945) eine exzellente fachliche Grundausbildung erhalten [Gross/Laurs, 2019]. Die histopathologische Abteilung [Wolf, 1937] und die hieraus hervorgegangene Wiener oralpathologische Schule um die Zahnärzte Bernhard Gottlieb und Harry Sicher (1889– 1975) [Schunck/Gross, 2021] galt damals weltweit als führend [Djafari, 2003; Orbán, 1950; Wilms/Groß, 2020a und 2020b] (Abbildung 2). Unter den deutschen Zahnmedizinern reichten auf diesem Gebiet allenfalls Otto Walkhoff (1860–1934) [Groß, 2017, 2020 und 2021], Herbert Siegmund (1892–1954) [Rinnen/ Groß, 2020a und 2020b] und der in die USA emigrierte Kurt Odenheimer (1911–1986) [Gross/Norrman, 2021] an die Bedeutung der Wiener Kollegen heran, wobei Walkhoff und Siegmund jedoch kaum international publizierten. Gottlieb hatte 1926 seinen Mitarbeiter Bálint Orbán (1899–1960) [Bergmann/Groß, 2020; Groß/Bergmann, 2021] nach Chicago entsandt, wo dieser bis 1928 auf Einladung von William Logan (1872– 1943), Dekan des Chicago College of Dental Surgery der Loyola Universität in Chicago, eine Gastprofessur wahrRudolf Kronfeld Foto: aus Warren, 1940 64 | GESELLSCHAFT

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