Zahnärztliche Mitteilungen Nr. 5

zm112, Nr. 5, 1.3.2022, (400) falschen Stellen“ vermieden werden. Es könnte durchaus sein, dass Ärztinnen und Ärzte effizienter werden in ihrer Diagnosestellung. Außerdem konnte in anderen Untersuchungen gezeigt werden, dass aktives Zuhören auch die Patientenbindung und die Therapietreue vergrößern kann. Und welchen Benefit hat der Patient? Die Patienten sehen sich mit einem wertschätzenden und zuhörenden Arzt oder Ärztin konfrontiert. Durch ihre Ausführungen und Schilderungen leiten sie den ärztlichen Akteur an die Stelle, um die es geht. So kann ihnen zielgerichtet und schnell geholfen werden. In weiteren Untersuchungen haben Patienten zudem das Zuhören an sich als beruhigend und entlastend beschrieben. Was empfehlen Sie Ärztinnen und Ärzten, um das aktive Zuhören zu trainieren? Im ersten Schritt sollte der Diagnoseprozess transparent gemacht werden. Nur wenn verstanden wird, was hier passiert, kann man sich überhaupt darauf einlassen. Ärzte sollten sich zu Beginn der Konsultation mit vorschnellen Unterbrechungen und Nachfragen zurückhalten. Das kann man sehr gut trainieren, indem zum Beispiel Rede-Pausen bewusst toleriert werden. Es klingt banal, aber wenn Patienten ausreden dürfen, spart es am Ende Zeit und hilft uns Ärzten bei der Diagnosestellung. Das Gespräch führte Gabriele Prchala. EINE PATIENTENZENTRIERTER ANSATZ VERBESSERT DIE DIAGNOSE Bei der Diagnosefindung ist es von elementarer Bedeutung, dass die Patienten eine aktive Rolle einnehmen. Das haben Forschungsarbeiten der Universität Marburg ergeben. In einer kürzlich veröffentlichten Studie hat ein Wissenschaftlerteam um Prof. Dr. Norbert Donner-Banzhoff und Dr. Matthias Michiels-Corsten belegt, dass die Patienten selbst wesentlich zum Diagnoseprozess beitragen können: Sie sollten zunächst ihre Beschwerden frei schildern – ein Prozess, den die Wissenschaftler als „induktives Streifen“ (inductive foraging, IF) bezeichnen. Und der Arzt soll sie ausreden lassen. Das Team hat in der Studie bei zwölf Hausärzten 134 Konsultationen ausgewertet, in denen es um die Diagnose neu aufgetretener Symptome ging. Die Analyse erfolgte sowohl qualitativ als auch quantitativ. Durchschnittlich dauerten die Konsultationen rund zehn Minuten. Laut der Studie wurden fast alle Konsultationen (91 Prozent) mit diagnostischen Episoden im Sinne des induktiven Streifens eröffnet. Das IF war die Strategie mit dem größten Beitrag an diagnostischen Informationen, die während der Konsultation gesammelt wurden (31 Prozent aller Hinweise). Die Hausärzte zeigten eine breite Palette von Taktiken, um ihre Patienten zu ihrem IF einzuladen und diese dabei zu unterstützen. Beendet wurde das IF häufiger von den Hausärzten als von den Patienten (57 Prozent vs. 43 Prozent). Fazit der Studie: Die Patientenbeteiligung durch das IF leistet einen wesentlichen Beitrag im Diagnoseprozess. Das Autorenteam geht davon aus, dass ein patientenzentrierter Ansatz erheblich zur Verbesserung der Diagnose beiträgt. pr Die Studie: Matthias Michiels-Corsten, Anna M. Weyand, Judith Gold, Stefan Bösner, Norbert Donner-Banzhoff: „Inductive foraging: patients taking the lead in diagnosis, a mixed-methods study,“ Family Practice 2021, 1-7. https://doi.org/10.1093/fampra/cmab144 Downloaded Foto: AdobeStock/goodluz „Wenn Patienten ausreden dürfen, spart es am Ende Zeit und hilft uns Ärzten bei der Diagnosestellung.“ 30 | PRAXIS

RkJQdWJsaXNoZXIy MjMxMzg=