[Sabri, 2021]. Auch Hypomineralisationen beziehungsweise MIH kommen bei diesem Zahn mit Prävalenzen von 3 bis 25 Prozent häufig vor [Willmott et al., 2008]. Aufgrund der großen Bedeutung dieses Zahnes für die Kaufunktion und die Entwicklung muss das Behandlungskonzept für stark kariös zerstörte 6er besonders sorgfältig abgewogen werden [Ong/ Bleakley, 2010]. Der Vorteil einer frühen Extraktion (vor intraoralem Durchbruch des zweiten Molaren) ist, dass die entstehende Lücke durch die Migration benachbarter Zähne zumindest partiell geschlossen werden kann. So ergab eine klinische Studie nach 6er-Extraktion bei Kindern zwischen 7 und 13 Jahren bei 94 Prozent (OK) beziehungsweise 66 Prozent (UK) einen kompletten Lückenschluss [Teo et al., 2013]. Ist ein Lückenschluss primär von distal beabsichtigt, spricht man vom „idealen Extraktionszeitpunkt“, wenn sich der zweite Molar im frühen Bifurkationsstadium befindet [Teo et al., 2015; Teo et al., 2013; Telli/Aytan, 1989]. Bei Platzmangel im frontalen Zahnbogen empfiehlt sich eine spätere Extraktion (etwa bei einem Drittel oder bei der Hälfte der Wurzelbildung), um im Zuge des nachfolgenden reziproken orthodontischen Restlückenschlusses Platz für die Ausformung der Frontzähne zu schaffen. Negative Aspekte des „natürlichen“ Lückenschlusses durch Mesialisation der Molaren sind die Gefahren einer Supraposition der Antagonisten sowie einer eher kippenden Lückeneinengung [Radukanu et al., 2009], die zu einer suboptimalen okklusalen Kontaktsituation sowie zu einer unphysiologischen Belastung während der Mastikation führen. Daraus ergibt sich sekundär häufig ein orthodontischer Behandlungsbedarf, um die nach mesial gekippten Molaren aufzurichten und gegebenenfalls die Restlücke zu schließen. Häufig liegt die Notwendigkeit zur 6er-Extraktion zu einem späteren Zeitpunkt vor, zum Beispiel nach der Behandlung einer Sekundärkaries oder nach erfolgloser Wurzelfüllung (Patientenbeispiel 1). Bei Extraktionen der Sechsjahresmolaren im Erwachsenenalter bleibt eine Lückeneinengung von nennenswertem Ausmaß durch Migration der Nachbarzähne weitgehend aus [Radukanu et al., 2009], weshalb die entstandene Extraktionslücke durch andere therapeutische Maßnahmen geschlossen werden muss. APLASIE EINZELNER ZÄHNE Nichtanlagen bleibender Zähne (ohne Berücksichtigung der Weisheitszähne) treten relativ häufig auf, wobei weltweit Prävalenzen zwischen 3,4 bis 10 Prozent und für Europa eine durchschnittliche Häufigkeit von 5,5 Prozent angegeben werden [Kim, 2011; Orthodontischer Lückenschluss regio 26 Abb. 2: Darstellung der Therapie im OK: a: Für den Lückenschluss wurden lediglich die beiden Zähne 16 und 27 bebändert und über einen Mesialslider [Wilmes/Drescher, 2010] im anterioren Gaumen skelettal verankert. Zahn 27 wurde am palatinalen Führungsbogen durch zwei palatinal und bukkal angreifende superelastische Zugfedern mesialisiert, wobei die Verankerung der bukkalen Feder an einem interradikulär in regio 23/24 inserierten Mini-Implantat erfolgte. Der Verlauf der Zugfedern etwa auf Höhe des Widerstandszentrums von 27 bewirkte eine effiziente, direkte körperliche Mesialisation ohne unerwünschte kollaterale Bewegungen. b: Nach zwölf Monaten war die Lücke regio 26 vollständig geschlossen. c: Während der viermonatigen Retentionszeit kam es zum Durchbruch von Zahn 28 direkt posterior des mesialisierten Zahnes 27 ohne orthodontische Kraftapplikation. Bemerkenswert ist die spontane Einstellung von 28 in korrekter Position in allen drei Dimensionen und mit annähernd physiologischer Angulation (siehe auch Abbildung 3a). Zahn 37 zeigt aufgrund der im Zuge der Mesialisation von 27 verloren gegangenen vertikalen Abstützung mesial eine Supraposition von circa 2 mm, die einer vollständigen vertikalen Einstellung des Zahnes 28 und somit einer satten Neutralverzahnung mit 37 hinderlich war. Quelle: Bernd G. Lapatki Patientenbeispiel 1: zm112, Nr. 5, 1.3.2022, (407) ZAHNMEDIZIN | 37
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