Zahnärztliche Mitteilungen Nr. 5

zm112, Nr. 5, 1.3.2022, (410) sorgung mit einer implantatgestützten Krone überbrückt werden. Zahntransplantationen kommen vor allem bei einem dentalen Trauma oder bei asymmetrischen multiplen dentalen Aplasien infrage [Hoss et al., 2021; Michl et al., 2017; Schütz et al., 2013]. DER ORTHODONTISCHE LÜCKENSCHLUSS Die kieferorthopädische Therapie bei Einzelzahnlücken sowohl nach der Extraktion eines Sechsjahresmolaren (Patientenbeispiel 1) als auch bei Zahnnichtanlagen (Patientenbeispiele 2 und 3) stellt relativ häufig eine sinnvolle Therapieoption dar. Im Fall einer frühen therapeutischen Intervention kann bei dieser Alternative die Lücke schon im späten Wechselgebiss durch einen spontanen beziehungsweise apparativ gesteuerten Durchbruch der Nachbarzähne in den Lückenbereich hinein zumindest partiell geschlossen werden, was den Aufwand für die abschließende kieferorthopädische Therapie im frühen bleibenden Gebiss deutlich verringert. Lange Zeit war der orthodontische Lückenschluss mit gewissen Kompromissen behaftet, die insbesondere bei unilateralem beziehungsweise unimaxillärem Lückenschluss zum Tragen kamen. Ein biomechanisches Gesetz ist, dass der Lückenschluss bei einer Multibrackettherapie ohne zusätzliche externe Kraftapplikation reziprok erfolgt. Dies bedeutet, dass sich zum Beispiel bei einer beabsichtigten reinen Mesialisation der Molaren in eine Lücke im Seitenzahnbereich die Zähne anterior der Lücke nach distal bewegen, was sich zusätzlich in einer frontalen dentalen Mittenabweichung äußern kann. Diverse konventionelle Maßnahmen zielten darauf ab, diese – zumeist unerwünschten – Kollateralbewegungen zu minimieren: Zu diesen zählen das distale Beschleifen der benachbarten Milchzähne (Abbildung 9a) und/ oder die Hemisektion der zweiten Milchmolaren [Glockengießer, 2019; Northway, 2004], bei der nach hoher Pulpotomie zuerst die distale Hälfte und nach Aufwanderung des ersten Molaren auch die mesiale Hälfte extrahiert wird (Abbildungen 9b und 9c). Auch „verankerungsverstärkende Maßnahmen“, wie die Bildung eines möglichst großen anterioren dentalen Segments, sollten zu einer Minimierung der Effekte auf die Frontzähne beitragen. Trotzdem waren gewisse Kompromisse wie eine Mittelllinienverschiebung nach unilateralem Lückenschluss oder eine Verschlechterung der Verzahnung nach bilateralem Lückenschluss oft unvermeidbar. Durch diese Effekte wurde das Indikationsspektrum einer orthodontischen Lösung deutlich eingeengt; so war beispielsweise ein Lückenschluss bei Aplasie der OK-2er und progener Tendenz kontraindiziert, weil die Gefahr eines frontalen Kopf- beziehungsweise Kreuzbisses bestand. Derartige Limitationen und Kompromisse sind in der modernen Orthodontie durch die Anwendung skelettal verankerter Apparaturen sowohl im Ober- [Wilmes/Drescher, 2010] als auch im Unterkiefer [Nagaraj et al., 2008] vermeidbar (siehe Patientenbeispiele 1 und 3). Die mittlerweile gut etablierten Möglichkeiten der skelettalen Verankerung vereinfachen den orthodontischen Lückenschluss durch die Mesialisation der Seitenzähne beträchtlich, denn sie ermöglichen in beiden Kiefern eine Kontrolle oder sogar die Korrektur der dentalen Mitte und erleichtern die Einstellung einer guten InterkuspidaInitiale Situation mit 10:04 Jahren Abb. 5: Bei der dargestellten Patientin lag eine Nichtanlage des Zahnes 22 vor. a und b: In den extra- und intraoralen frontalen Ansichten fällt der mesiale Durchbruch von Zahn 23 in regio des aplastischen Zahnes 22 auf. c: In der Panoramaschichtaufnahme ist die Aplasie von 22 eindeutig diagnostizierbar. d: Die dentale Ansicht von rechts zeigt den circa 3 mm zu schmalen Zahn 12 sowie die leichte Distalverzahnung. e und f: Aufsichten auf die beiden Zahnbögen: Aufgrund des Durchbruchs des breiteren Zahnes 23 mesial des persistierenden Zahnes 63 und der Hypoplasie von 22 hat sich die dentale OK-Mitte leicht nach rechts verschoben. Der Therapieplan beinhaltete einen bilateralen orthodontischen Lückenschluss nach Extraktion des hypoplastischen Zahnes 12 mit Einstellung der Eckzähne 13 und 23 in der 2er-Region. Quelle: Bernd G. Lapatki Patientenbeispiel 2: 40 | ZAHNMEDIZIN

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