Zahnärztliche Mitteilungen Nr. 5

zm112, Nr. 5, 1.3.2022, (426) BEI SEINER ANKUNFT IN DEN USA HATTE ER 2,50 DOLLAR Trotz dieser Beteuerungen bescherten die kritischen Inhalte des Stücks und die offensichtlichen Parallelen Mamlok in Deutschland fortgesetzte Repressionen, so dass er sich letztlich zur Flucht gezwungen sah. Am 7. April 1937 emigrierte er mit dem Schiff „SS Manhattan“ von Hamburg aus mit seiner Frau Margarethe in die USA. Seine Kinder Karl und Louise „hatten diesen Schritt bereits vor ihren Eltern getan“ [Mahler, 2001]. Sein persönliches Vermögen von rund 500.000 Dollar musste er in Deutschland zurücklassen; er erreichte Amerika mit lediglich 2,50 Dollar in der Tasche [Brooklyn Daily Eagle, 1937]. Mamlok verstarb am 11. November 1940 in New York City. Dem „Evening Sun“ zufolge erlag er in seiner Wohnung einem Herzinfarkt [Evening Sun, 1940]. Mamlok war bereits international bekannt, als er in die USA einreiste. Dies unterschied ihn von den meisten in dieser Reihe vorgestellten USImmigranten – namentlich Hermann Becks (1897–1962), Georg Hindels (1914–1998), Hermann Prinz (1869– 1957), Fritz Benjamin (1912–1998), Kurt Odenheimer (1911–1986), Max Oppenheim (1911–1983) und Rudolf Kronfeld (1874–1946): Alle erreichten ihre wissenschaftliche Karriere erst nach der Emigration aus Deutschland [Groß, 2021a-d und 2022a-b; Groß/ Norrman, 2021; Norrman/Groß, 2022; Reinecke/Westemeier/Groß, 2022]. Eine Ausnahme bildete Balint Orbán (1899–1960), der bereits in den 1920er-Jahren eine zweijährige Gastprofessur in Chicago zur fachlichen Profilierung nutzen konnte, bevor er Ende der 1930er-Jahre dauerhaft in die USA zurückkehrte [Groß/ Bergmann, 2021]. SEINE MONOGRAFIEN WURDEN STANDARDWERKE Tatsächlich war Mamlok bereits in den 1910er- und 20er-Jahren mit englischsprachigen Monografien hervorgetreten [Mamlok, 1913b und 1924b]. Vor allem seine Arbeiten zum Themenfeld Porzellanfüllungen wurden in mehrere Sprachen (unter anderem in Englisch, Russisch, Spanisch) übersetzt und entwickelten sich, wie es im jüdischen Magazin „Aufbau“ hieß, zu „Standardwerken“ [Aufbau, 1940]. Eine Initiatorrolle dürfte hierbei Newell Sill Jenkins (1840–1919) in Dresden gespielt haben. Jenkins galt als Pionier auf dem Gebiet der Keramikfüllungen und der ästhetischen Zahnheilkunde. Mamlok war es bereits vor 1900 gelungen, sich bei Jenkins fortzubilden und das erworbene Wissen um eigene Erfahrungen zu erweitern. So trat Mamlok 1901 mit der Monografie „Die Porzellanfüllung“ an die Öffentlichkeit, die bald als „Klassiker“ galt und über zwei Jahrzehnte hinweg aufgelegt wurde [Mamlok, 1901–1921; ähnlich: Mamlok, 1907]. Seine Fachkollegen nannten ihn „Meister der Porzellanfüllungen“ [Mahler, 2001]. Ähnliche Erfolge erzielte er mit seinen Beiträgen zur Parodontologie [Mamlok/Neumann, 1915; Mamlok, 1923], zu vorbeugenden Mundhygienemaßnahmen [Mamlok, 1924a und b] und zur Behandlung von Zahnlockerungen [Mamlok, 1913a; Mamlok, 1930a]. Dabei wurde er zum Entwickler und Namensgeber der unter zeitgenössischen Zahnärzten sehr bekannten „Mamlok-Schiene“ beziehungsweise der „Mamlok-Fixation“ [Oppenheimer, 1967] – beides Maßnahmen zur mechanischen Befestigung parodontal gelockerter Zähne. Weitere Schwerpunkte waren der Einsatz radioaktiver Substanzen in der Zahnheilkunde [Mamlok, 1914; Mamlok, 1930b], moderne Prothesenwerkstoffe [Mamlok/Gaspari, 1914/17; Mamlok, 1916; Mamlok/Caspari, 1917] und Diathermie (Hochfrequenzwärmebehandlung) in der Zahnheilkunde [Mamlok, 1930c; Mamlok, 1931]. Er war zudem, wie oben erwähnt, ein prominenter Schriftleiter und Herausgeber seiner Zeit: Das „Korrespondenzblatt für Zahnärzte“ leitete er bereits seit 1911, die Buchreihe „Zahnärztlich-Therapeutische Kartothek“ gab er seit 1930 heraus [Kartothek, 1930–1933]. Obwohl er beide Organe 1933 abgeben musste, blieben sie mit seinem Namen verbunden. Auch als Standespolitiker erreichte Mamlok große Bekanntheit: Er wirkte seit 1910 im Vorstand des „Komitees für die Errichtung des ‚ Deutschen Zahnärztehauses‘“. 1910 wurde ihm zudem der Kronenorden IV. Klasse zugesprochen – in Würdigung seiner zentralen Rolle bei der Organisation des V. Internationalen zahnärztlichen Kongresses 1909 in Berlin. Er wurde 1920 Vorstandsmitglied im „Landesausschuß für zahnärztliche Fortbildung“; dort fungierte er zeitweise als Vorsitzender des Provinzialausschusses Berlin-Brandenburg. 1929 rückte er überdies in den Vorstand der „Israelitischen Union“ in Berlin ein. Zeitgenössischen Berichten zufolge gehörte der private „Salon“ der Mamloks zeitweise „zu den angesehenen Treffpunkten der Berliner Gesellschaft“ [Mahler, 2001]. POLITIKER BIS PAPST – ER BEHANDELTE SIE ALLE Vor dem Hintergrund dieser exponierten Stellung kann es nicht überraschen, dass Mamlok vor allem seit Beginn der 1920er-Jahre zahlreiche prominente Patienten behandelte [Mahler, 2001] – unter anderem den Politiker Gustav Stresemann (1878–1929), den USBotschafter George Strausser Messersmith (1883–1960) und den päpstlichen Nuntius und späteren Papst Eugenio Pacelli (ab 1939: Papst Pius XII.) (1876–1958). PROF. DR. DR. DR. DOMINIK GROß Institut für Geschichte, Theorie und Ethik der Medizin der RWTH Aachen Klinisches Ethik-Komitee des Universitätsklinikums Aachen MTI 2, Wendlingweg 2, 52074 Aachen dgross@ukaachen.de Foto: privat 56 | GESELLSCHAFT

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