Zahnärztliche Mitteilungen Nr. 5

zm112, Nr. 5, 1.3.2022, (435) ZUM DISKUSSIONSSTAND ÜBER HOMÖOPATHIE Die Stellung der Homöopathie steht seit Langem in der Diskussion – es gibt heftige Kritiker, die auf eine mangelnde Evidenz der Methode verweisen. Ebenso gibt es vehementen Widerstand von Homöopathie-Anhängern gegen eine Reform. Der damalige Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU) hatte das Thema 2019 – also noch vor der Corona-Pandemie – vorerst zu den Akten gelegt. Die jährlichen Kassen-Ausgaben von rund 20 Millionen Euro seien „so okay“, hatte Spahn damals in den Medien erklärt. Der Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) gilt als Homöopathie-Gegner, jedoch scheint das Thema wegen der Priorität der Pandemiebewältigung derzeit im Bundesgesundheitsministerium auf der Agenda nach hinten gerückt zu sein. Im Januar hatten jetzt einige Abgeordnete, die die Kassenfinanzierung von Homöopathie kritisch sehen, die Bundesregierung erneut zum Handeln aufgefordert, so etwa die frühere Bundesvorsitzende der Jungen Liberalen, Ria Schröder (FDP), Kathrin Vogler, Obfrau der Linken im Gesundheitsausschuss des Bundestags oder die grüne Bundestagsabgeordnete und Ärztin Paula Piechotta. Auf zm-Nachfrage erklärt der Spitzenverband der Gesetzlichen Krankenversicherung (GKV), dass Homöopathie zu den Satzungsleistungen gehöre: Es handele sich um freiwillige Leistungen der einzelnen Kasse, die unterschiedlich und individuell gestaltet seien. Unter anderem sollten sich die Kassen damit besser im Wettbewerb profilieren können. Die Entscheidung, welche Satzungsleistungen konkret angeboten werden, treffe jedoch die einzelne Kasse, so der Verband. Änderungen am dafür geltenden gesetzlichen Rahmen obliegen dem Gesetzgeber. Für die Kassenärztliche Bundesvereinigung (KBV) gibt es keine ausreichenden wissenschaftlichen Belege für die Wirksamkeit homöopathischer Verfahren. Sie ist der Auffassung, dass die Kassen grundsätzlich keine Leistungen der Alternativmedizin finanzieren dürfen, solange der Nutzen nicht nachgewiesen ist. Das beziehe sich auch auf sogenannte Satzungsleistungen und Regelungen zur Kostenerstattung. Eine Ausnahme könnten bestenfalls wissenschaftlich begleitete Erprobungsregelungen darstellen, so die KBV. „Wir wollen die Homöopathie nicht verbieten“, erklärte ein Sprecher den zm dazu. „Wer homöopathische Mittel haben möchte, soll sie auch bekommen. Dann aber bitte als Selbstzahler und keinesfalls auf Kosten der Solidargemeinschaft. Gerade jetzt in den Zeiten einer Pandemie werden die Gelder der Krankenkassen dringend gebraucht – für Leistungen, die einen klaren wissenschaftlichen Nutzen vorweisen können.“ Die Frage der Erstattungsfähigkeit homöopathischer Präparate ist für die Bundesärztekammer (BÄK) vor allem politisch zu klären. Sie verweist gegenüber den zm auf Aspekte der Patientensicherheit. Der Arzt sollte für Patienten, die Homöopathie wünschen, immer der erste Ansprechpartner sein. Er verfüge über die erforderlichen Qualifikationen und Kompetenzen, die Grenzen sogenannter alternativmedizinischer Verfahren zu erkennen und die notwendigen schulmedizinischen Maßnahmen einzuleiten. Der 121. Deutsche Ärztetag hat im Jahr 2018 in Erfurt eine Gesamtnovelle der (Muster-)Weiterbildungsordnung (MWBO) für Ärztinnen und Ärzte beschlossen. Damit hatte der Ärztetag auch den Zusatz-Weiterbildungen zugestimmt, die in Abschnitt C der novellierten MWBO aufgenommen beziehungsweise beibehalten werden. Darunter findet sich auch die Zusatz-Weiterbildung Homöopathie. Die Muster-Ordnung dient den Landesärztekammern als umzusetzende Vorlage. In der Zwischenzeit kam es jedoch im Zuge der Umsetzung der Muster-Ordnung bei der Zusatz-Weiterbildung Homöopathie in den Ländern zu Abweichungen. So haben inzwischen etliche Landesärztekammern – darunter Bremen, Hamburg, Hessen, Mecklenburg-Vorpommern, Niedersachsen, Nordrhein, SachsenAnhalt und Schleswig-Holstein – die Zusatz-Weiterbildung Homöopathie nicht in ihre neue Weiterbildungsordnung übernommen. Und was sagt die Wissenschaft? Das Netzwerk Evidenzbasierte Medizin (ebm-Netzwerk) sieht die Homöopathie aus heutiger wissenschaftlicher Sicht als Irrweg an. „Sorgfältige Untersuchungen in systematischen Übersichtsarbeiten konnten weder für eine individualisierte noch für eine nicht-individualisierte homöopathische Behandlung konsistente Behandlungseffekte nachweisen, die über eine Placebowirkung hinausgehen“, schreibt zum Beispiel Prof. Dr. Andreas Sönnichsen, Vorsitzender des Netzwerks Evidenzbasierte Medizin im KVH-Journal 2/2020. Auch die informelle interdisziplinäre Expertengruppe „Münsteraner Kreis“ macht sich seit Jahren für die Abschaffung der Zusatzbezeichnung Homöopathie stark, so etwa in ihrem „Münsteraner Memorandum Homöopathie“ (2018). Die Initiative geht auf Prof. Dr. Bettina Schöne-Seifert, Lehrstuhlinhaberin für Medizinethik an der Universität Münster, zurück. Dem Kreis gehört auch der Zahnarzt Dr. Hans-Werner Bertelsen aus Bremen an. POLITIK | 65

RkJQdWJsaXNoZXIy MjMxMzg=