Zahnärztliche Mitteilungen Nr. 6

zm112, Nr. 6, 16.3.2022, (537) der Ulzeration eine Tagesdosis von 1,25 bis 2,0 g/kg Körpergewicht über die Nahrung empfohlen. FETTE Die Wundheilung ist ein anaboler Prozess, der eine ausreichende Zufuhr von Substraten wie Glukose und Fett erfordert. Kohlenhydrate dienen als Hauptquelle der Energie, die für die Wundheilung benötigt wird, während Fette vermutlich eine Rolle bei der Entwicklung von Zellmembranen und der Modulation von zellulären Signalen spielen. Omega-3- und Omega-6-Fettsäuren dienen als Vorstufen für Prostaglandine, Leukotriene und Thromboxan – alles Schlüsselmediatoren der Entzündungsphase der Wundheilung. Es wird angenommen, dass Omega-3Fettsäuren Gene herunterregulieren, die an entzündungsfördernden Signalwegen beteiligt sind sowie die Lymphozytenproliferation und die Spiegel von IL-1 beta, Tumornekrosefaktor alpha und IL-6 in vitro verringern. Klinisch stellten Daher et al. im Rahmen eines systematischen Reviews heraus, dass die Nahrungsergänzung mit Omega-3-Fettsäuren die Wundheilung bei Kopf-HalsKrebspatienten mit Operationswunden verbessert [Daher et al., 2022]. VITAMINE, SPURENELEMENTE Vitamin A ist ein essenzielles fettlösliches Vitamin, das unter anderem die Wundheilung durch Stimulierung von Fibroblasten fördert. Es wirkt durch die Aktivierung von Retinoidrezeptoren vieler verschiedener Zellen und hat angeblich eine entzündungshemmende Wirkung, die die Heilung offener Wunden unterstützt. Außerdem wird angenommen, dass Vitamin A die Freisetzung von Zytokinen in der entzündlichen Phase der Wundheilung verbessert. Die Supplementation mit Vitamin A wurde mit positiven Wirkungen auf die akute Wundheilung, Verbrennungen und Strahlenschäden in Verbindung gebracht. Einige Experten empfehlen kurze Zyklen einer oralen Vitamin-AErgänzung zur Verbesserung der Wundheilung in Dosen zwischen 10.000 und 25.000 IE täglich. Vitamin C ist für seine Rolle bei der Kollagenbildung, Immunmodulation und für seine antioxidative Kapazität bekannt. Eine aktuelle Empfehlung für die Vitamin-C-Ergänzung bei chronischen Wunden liegt bei unkomplizierten Wunden bei 500 mg täglich bis zu 2 g täglich bei schweren Wunden. Zusätzliche Studien haben gezeigt, dass der Nutzen einer Vitamin-C-Ergänzung maximiert wird, wenn sie in Kombination mit Zink und Arginin gegeben wird. Hunderte zinkhaltige Enzyme sind an der Wundheilung beteiligt und werden für die Gewebereparatur, das Wachstum und die Immunfunktion benötigt. Obwohl es viele Studien gibt, die den Nutzen einer Zinkergänzung bei der Wundheilung bewertet haben, werden belastbare Aussagen durch Mängel im Studiendesign verhindert, beispielsweise durch eine Multinährstoffergänzung der Probanden verzerrt. Somit ist die Rolle einer Zinksupplementation bei der Wundheilung bisher nicht geklärt. AMINOSÄUREN Arginin ist eine essenzielle Aminosäure, die als Substrat für Zellproliferation, Kollagenablagerung und Lymphozytenfunktion Verwendung findet. Obwohl im genannten systematischen Review auch Arginin einen positiven Effekt bei der Wundheilung von Patienten mit Kopf- und Halsmalignomen zeigte [Daher et al., 2022], liegen derzeit nur unzureichende Daten vor, um eine regelmäßige Arginin-Ergänzung für alle Arten von Wunden zu unterstützen, und es gibt aktuell keine Aussage über eine sichere Dosis der täglichen Arginin-Einnahme. Vorgeschlagen wurde, dass eine Nahrungsergänzung mit Glutamin die Wundheilung beschleunigt, da sie eine primäre metabolische Brennstoffquelle für schnell proliferierende Zellen wie Epithelzellen und Fibroblasten ist. Glutamin soll die Expression von Hitzeschockproteinen induzieren und vor entzündlichen und infektiösen Wundkomplikationen schützen. Darüber hinaus wird angenommen, dass Glutamin die Insulinsensitivität des Gewebes erhöht, was sich bei Wunden als vorteilhaft erweisen kann. Leider haben zahlreiche randomisierte Studien zur Glutamin-Supplementierung zu widersprüchlichen Aussagen geführt, so dass derzeit keine abschließende Einschätzung getroffen werden kann. BEDEUTUNG FÜR DIE PRAXIS Die vorliegenden Daten lassen vermuten, dass auch die orale Wundheilung durch eine angemessene Nahrungssubstitution positiv beeinflusst werden kann. Die Wundheilung ist multifaktoriell und sollte den Gesundheitszustand und medizinische Komorbiditäten jedes behandelten Patienten berücksichtigen. Chronische Wunden können durch eine schlechte Verfügbarkeit der zur Wundheilung nötigen Substrate (Mangelernährung) unterhalten werden. Mangelernährung kann deshalb als modifizierender Risikofaktor infrage kommen. Eine ausreichende Ernährung, gegebenenfalls mit Nahrungsergänzungen, fördert die Wundheilung. Shields schlägt einen individualisierten Ansatz zur Wundheilung vor, der die Untersuchung spezifischer Makro- und Mikronährstoffmängel umfasst. Vor allem sollte eine angemessene Kalorienzufuhr und ein angemessener Proteingehalt empfohlen werden. Für spezifische Aminosäure- und Vitaminergänzungen können derzeit keine evidenzbasierten Empfehlungen gegeben werden. \ Quellen: Shields, B. E. (2021): „Diet in Wound Care: Can Nutrition Impact Healing?“ Cutis 108(6): 325–328. Daher, G. S., K. Y. Choi, J. W. Wells and N. Goyal (2022): „A Systematic Review of Oral Nutritional Supplement and Wound Healing.“ Ann Otol Rhinol Laryngol: 34894211069437. UNIV.-PROF. DR. DR. PEER W. KÄMMERER, MA, FEBOMFS Leitender Oberarzt und stellvertretender Klinikdirektor Klinik und Poliklinik für Mund-, Kiefer- und Gesichtschirurgie, Plastische Operationen, Universitätsmedizin Mainz Augustusplatz 2, 55131 Mainz peer.kaemmerer@unimedizin-mainz.de Foto: privat ZAHNMEDIZIN | 59

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