zm112, Nr. 6, 16.3.2022, (542) STUDIE ZUM NOCEBO-EFFEKT IN DER ZAHNMEDIZIN Das ethische Dilemma der Patientenaufklärung Ein internationales Forscherteam hat in einer narrativen Studie den aktuellen Wissensstand über den NoceboEffekt zusammengetragen und dabei besonders dessen Bedeutung für die Zahnmedizin analysiert. Die Autoren aus Japan, Dänemark und Schweden definieren den Nocebo-Effekt so: „Während sich der Placebo-Effekt auf eine Verbesserung der Symptome bezieht, die durch psychosoziale Faktoren wie positive Erwartungen verursacht wird, äußert sich der Nocebo-Effekt in einer klinischen Verschlechterung, einer suboptimalen Behandlungswirksamkeit oder dem Auftreten unerwünschter Ereignisse, die vermutlich durch negative Erwartungen verursacht werden. Laut Definition sind Nocebo- und Placebo-Effekte unspezifisch, was bedeutet, dass die wahrgenommene Wirkung nicht durch einen pharmakologischen Wirkstoff, sondern durch unspezifische gemeinsame Faktoren (zum Beispiel Erwartungen) verursacht wird“ [Watanabe et al., 2022]. Insbesondere die Erwartungen der Patienten spielen also eine zentrale Rolle beim Nocebo-Effekt. In der zahnmedizinischen Praxis hat dieser Punkt besondere Relevanz, wenn es um die Aufklärung vor Behandlungen geht, da der Patient umfassend über die Behandlungsschritte sowie über Chancen und Risiken informiert werden muss. Gleichzeitig sollten auch eher selten eintretende Komplikationen nicht unerwähnt bleiben, obgleich diese den Patienten möglicherweise so beunruhigen, dass sie das Behandlungsergebnis verschlechtern könnten. Die Autoren bezeichnen dies als „ethisches Dilemma des Nocebo-Effekts“. DIE PATIENTENAUTONOMIE GEBIETET UMFASSENDE AUFKLÄRUNG Informationen dürften nicht zurückgehalten werden, weil die Autonomie des Patienten gewahrt werden muss, gleichzeitig könne man aber durch die Nennung von bestimmten Risiken oder Nebenwirkungen die Chance auf deren Eintreten erhöhen. Während ein gutes Arzt-Patienten-Verhältnis sich positiv auf die Behandlungsergebnisse auswirken kann, gebe es umgekehrt Hinweise darauf, dass ein negatives Verhältnis einen Nocebo-Effekt auslösen kann. Ursächlich seien insbesondere mangelndes Vertrauen und eine fehlende Akzeptanz zwischen Patienten und Ärzten. Auch Angstgefühle seien eng mit dem Nocebo-Effekt verknüpft. Die Autoren vermuten hier eine bidirektionale Beziehung. Zahnärzte sind zur umfassenden Aufklärung vor Behandlungen verpflichtet. Doch der Nocebo-Effekt kann Behandlungsergebnisse negativ beeinflussen, Symptome verstärken oder sogar unerwünschte Arzneimittelwirkungen hervorrufen. Foto: AdobeStock_pathdoc 64 | ZAHNMEDIZIN
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