Zahnärztliche Mitteilungen Nr. 7

zm112, Nr. 7, 1.4.2022, (602) SCHALLZAHNBÜRSTEN STICHPROBENVERZERRUNG NICHT ERKENNBAR Zum Beitrag von Elmar Hellwig „Aus der Wissenschaft: Schall- versus Handzahnbürste: Schall reinigte nicht besser“, zm 5/2022, S. 18-19 Auf den Vorwurf der bewussten Manipulation müssen wir natürlich reagieren. Auch wenn aus dem oben genannte Leserbrief nicht wirklich klar wird, worin diese Manipulation eigentlich bestehen soll. Im Beitrag von Prof. Elmar Hellwig wird explizit von 32 gesunden Probanden mit dem Durchschnittsalter von 22,9 Jahren berichtet. Welches manipulative Potenzial entstehen soll, wenn der Autor die Zusatzinformation weglässt, dass das „vorklinische Zahnmedizinstudierende“ waren, ist für uns nicht erkennbar. Bei dem Beitrag handelt es im Übrigen nicht um eine Originalpublikation – wie der Leserbrief möglicherweise suggerieren könnte –, sondern um die Zusammenfassung einer Studie, die in einem internationalen Journal mit Begutachtungssystem veröffentlicht wurde. Der Einwand, die referierte Studie enthalte eine „Stichprobenverzerrung“ geht ins Leere. Schallzahnbürsten werden üblicherweise der Allgemeinheit und nicht explizit nur der von Herrn Prof. Noack angeführten „typischen“ Zielgruppe beispielsweise in der Alterszahnmedizin angeboten. Im Gegenteil: Die Zahnbürsten werden meist mit jungen Models und gesunden Gebissen beworben – Probanden genau dieser Zielgruppe haben nun den Schalleffekt getestet. Aus wissenschaftlicher Sicht ging es der Studie darum, „in vivo“ hochstandardisierte Testbedingungen herzustellen, um den Effekt des Schalls möglichst ohne signifikante Störgrößen messen zu können. Das videokontrollierte Design hat die Putzmuster überwacht und die Verwendung desselben Bürstenkopfs mit und ohne Schall konnte Verzerrungen durch die Verwendung verschiedener Bürstenköpfe vermeiden. Die Auswahl einer manuell leistungsfähigen Probandengruppe ist da ein zusätzlicher Vorteil, weil er hilft, den Schalleffekt als Variable im Test zusätzlich zu isolieren. Was vom Autor des Leserbriefs als „Stichprobenverzerrung“ abgewertet wird, macht also die Studie nicht schwächer, sondern stärkt im Gegenteil ihre Aussagekraft. In einem könnte er jedoch Recht behalten: Möglicherweise erweist sich das Bürstenkopfdesign der Schallzahnbürsten bei manueller Anwendung den auf den Markt befindlichen Handzahnbürsten als überlegen. Man darf gespannt sein, wer sich demnächst dieser spannenden Forschungsfrage annehmen wird. Die Redaktion Die Ergebnisse dieser Multicenter-Studie hätten auch den Schluss zulassen können, dass das Bürstenkopfdesign von Schallzahnbürsten so genial ist, dass man sogar ohne den elektrischen Antrieb in der Lage ist, Biofilm nachweislich zu reduzieren. Aber mir geht es um etwas ganz anderes: Leider kann ich die Titelstory hinsichtlich der berichteten Schlussfolgerungen nur als unseriös und bewusst manipulativ verstehen, also nicht der wissenschaftlichen Neutralität verpflichtet. Ja, die Studie (1) der Freiburger Wissenschaftler*innen in Kooperation mit den Kolleg*innen aus Greifswald und Basel widmet sich seriös einem interessanten Thema. Bereits vor Jahren zeigten übrigens die Baseler, dass Schallzahnbürsten ohne Berührung der Borstenspitzen Plaque/Biofilm entfernen können (Brushing without brushing?) (2, 3). Was jeden Wissenschaftler an der Publikation stören muss, ist die fehlende sonst übliche Tabelle 1, in der die Probanden charakterisiert werden. Anders als in der Originalpublikation erfährt man in den zm nicht von der Stichprobenverzerrung, dass nämlich die 32 rekrutierten Probanden vorklinische Zahnmedizinstudierende waren – frei von Karies, Parodontitis und approximalen Füllungen. Diese gesunden Probanden besaßen also offensichtlich – im Gegensatz zum Großteil unserer Patienten – die Fähigkeit, den Plaque-Biofilm souverän zu managen. Das klappt wohl auch mit einer nicht eingeschalteten elektrischen Zahnbürste! Wer einen Plaque-/Biofilm erkennbar managen kann, braucht kein neues Hilfsmittel, sondern kann weiterhin Handzahnbürsten oder traditionelle oszillierend rotierende elektrische Zahnbürsten nutzen. Wer es nicht kann, dem kann eine effektive und gewebeschonende schallgetriebene Zahnbürste helfen. Auch weil – wie richtig formuliert wurde – der Mensch nur bedingt in der Lage ist, sein Putzmuster zu ändern, kommen die Patienten mit dem Bürstenkopf einer Schallzahnbürste besser klar als mit kleinen runden Bürstenköpfen, die erheblichen Instruktionsbedarf haben. Viele zahnmedizinische Fachkräfte in der Prävention wissen, wovon ich rede. Also: Junge Zahnmediziner ohne jedes Krankheitsrisiko, stellen alles andere als eine repräsentative Stichprobe dar und lassen keine Verallgemeinerung auf die Anwendung der Schalltechnologie durch „typische“ Patienten zu. Univ.-Prof. Dr. Michael J. Noack, Köln 1. Schlueter N, Fiedler S, Mueller M, Walter C, Difloe-Geisert JC, Vach K, et al. Efficacy of a sonic toothbrush on plaque removal-A video-controlled explorative clinical trial. PloS one. 2021; 16(12): e0261496. 2. Schmidt JC, Astasov-Frauenhoffer M, Waltimo T, Weiger R, Walter C. Efficacy of various side-to-side toothbrushes and impact of brushing parameters on noncontact biofilm removal in an interdental space model. Clin Oral Investig. 2017; 21(5):1565–77. 3. Schmidt JC, Zaugg C, Weiger R, Walter C. Brushing without brushing? -a review of the efficacy of powered toothbrushes in noncontact biofilm removal. Clin Oral Investig. 2013; 17(3):687–709. ANMERKUNG DER REDAKTION 12 | LESERFORUM

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