zm112, Nr. 7, 1.4.2022, (611) konnte in deutlich gebessertem Allgemeinzustand nach einem dreitägigen stationären Aufenthalt wieder in die ambulante Betreuung entlassen werden. Nach dem vollständigen Abklingen der Entzündung wird eine Magnetresonanztomografie zur Darstellung der Drüsenstruktur ohne inflammationsbedingte Veränderung angestrebt. Hiernach soll – bei schon in der Vorgeschichte rezidivierenden Parotitiden – eine partielle Entfernung des sklerotisch veränderten Drüsengewebes zur Prophylaxe zukünftiger Ereignisse eruiert werden. DISKUSSION Beim Sjögren-Syndrom handelt es sich um eine chronisch-entzündliche Autoimmunerkrankung unklarer Genese. Sie äußert sich durch einen zunehmenden Umbau insbesondere der Tränen- und Speicheldrüsen mit der typischen klinischen Leittrias aus Xerostomie, Xerophthalmie und Arthritis [Herold, 2018]. Bei 30 bis 50 Prozent der betroffenen Patienten treten zusätzlich extraglanduläre Organmanifestationen auf: Darunter fallen die nichterosive Polyarthritis (50 Prozent), Neuropathien, Hautmanifestationen (entstehend durch eine Vaskulitis der kleinen Gefäße), interstitielle Lungenerkrankungen oder tubulointerstitielle Nephropathien [Witte, 2019]. Die epidemiologischen Daten in Bezug auf das SjögrenSyndrom sind aufgrund der unterschiedlichen Studiendesigns und Klassifikationskriterien relativ heterogen. Ausgegangen wird von einer Gesamtprävalenz der deutschen erwachsenen Bevölkerung von mindestens 0,4 Prozent [Westhoff und Zink, 2010]. Für das seltenere primäre Sjögren-Syndrom wurde eine weltweite Prävalenz von 61 auf 100.000 Einwohner ermittelt, wobei die Zahlen in Europa am höchsten sind. Das mittlere Alter bei Diagnosestellung beträgt 56 Jahre. Frauen erkranken durchschnittlich zehnmal häufiger als Männer [Qinet al., 2015]. Die Krankheit kann entweder als primäres Sjögren-Syndrom selektiv exokrine Drüsen betreffen oder als sekundäres Sjögren-Syndrom mit Assoziation zu anderen chronischen Erkrankungen auftreten [Suttorpet al., 2016]. Letzteres wird häufig mit Systemerkrankungen wie dem systemischem Lupus erythematodes (SLE), rheumatoider Arthritis oder systemischer Sklerodermie assoziiert [Tomiak und Dörner, 2006]. Dabei kann sich die zugrunde liegende Erkrankung auch primär durch eine Sicca-Symptomatik (trockenes Auge, trockener Mund aufgrund einer Benetzungsstörung) äußern und sich erst später mit einer zunehmenden Progredienz demaskieren. Ein nicht therapierter SLE kann schwerwiegende Organmanifestationen zur Folge haben. Dabei reichen die Pathologien von kognitiven Veränderungen und Psychosen bis hin zu einer Pleuritis, einer Perikarditis oder einer Lupusnephritis, die die Gefahr eines terminalen Nierenversagens birgt. Gerade in Anbetracht solcher Verläufe wird deutlich, weshalb es nicht selten zu einer verzögerten Diagnosestellung autoimmuner Erkrankungen kommt und die korrekte Einordnung der Pathologie durch den Zahnarzt für den Patienten von zentraler Bedeutung ist. Zu Beginn der Erkrankung kommt es zu einer Entzündung der glandulären Epithelzellen. Dabei werden durch deren Apoptose Autoantigene, wie die nachweisbaren Kernproteine SS-A [Ro] und SS-B [La], freigesetzt. Daraufhin kommt es zur Einwanderung dendritischer Zellen sowie von B- und T-Lymphozyten, die dort ein Keimzentrum bilden. Die Immunzellen werden durch freigesetzte Zytokine wie Interferone, Interleukin-12 und BAFF (B-Zell aktivierender Faktor) stimuliert. In den gebildeten Keimzentren reifen schließlich Plasmazellen aus. Diese produzieren Antikörper gegen muskarinerge Acetylcholinrezeptoren, die durch nervale Stimulation der Drüse zu deren Blockierung und somit zur Minderfunktion des Drüsengewebes führen, obwohl anfangs histologisch fast keine Auffälligkeiten erkennbar sind [Witte, 2019]. Die initiale Symptomatik der Patienten kann jedoch von der typischen klinischen Symptomtrias abweichen. Zur besseren Übersicht lassen sich glanduläre von extraglandulären Manifestationen unterscheiden. Zu den ErstgeAbb. 2: Sonografie der linken Glandula parotidea: Erkennbar ist die inhomogene Echostruktur der Drüse mit intraparenchymal gelegenen, runden bis ovalen hypoechogenen Bereichen mit dorsaler Schallverstärkung. Die Differenzialdiagnostik zwischen einer Dilatation intraparotidaler Gangstrukturen und Zysten ist hier schwierig. Ein Verhalt oder Sialolith waren – auch im Gangverlauf – nicht erkennbar. Quelle: Diana Heimes MORITZ GROßE-LEEGE Klinik und Poliklinik für Mund-, Kiefer- und Gesichtschirurgie – plastische Operationen, Universitätsmedizin Mainz Augustusplatz 2, 55131 Mainz Foto: privat ZAHNMEDIZIN | 21
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