Zahnärztliche Mitteilungen Nr. 7

zm112, Nr. 7, 1.4.2022, (616) Tuberkulose ursächlich für eine lymphozytäre Sialadenitis sein und damit zu einer bilateralen Schwellung der Speicheldrüsen führen. Ein vorrangig extraglandulär manifestiertes Sjögren-Syndrom ist differenzialdiagnostisch schwer gegenüber systemischen Krankheitsbildern abzugrenzen, da Arthritis, Polyneuropathie oder eine Vaskulitis bei fast allen chronisch entzündlichen Erkrankungen auftreten können. THERAPIE Eine ursächliche Therapie des primären Sjögren-Syndroms ist nicht möglich. Die Behandlung erfolgt patientenindividuell und lediglich symptomatisch. Dabei steht vor allem die Verbesserung der Lebensqualität durch Behandlung der Sicca- und der Fatigue-Symptomatik im Vordergrund. Verschiedene Tränenersatzmittel in Form von Augentropfen können zur Behandlung der Xerophthalmie verwendet werden [Stefanski et al., 2017]. Die Xerostomie und die Stomatitis sicca stellen für Zahnärzte ein besonderes Problem dar, da sich die komplexen Funktionen des Speichels therapeutisch nicht optimal kompensieren lassen. Das führt zu einer erhöhten Kariesprävalenz sowie zu vermehrt auftretenden Infektionen mit Candida albicans. Darüber hinaus entwickeln Patienten Probleme bei der Nahrungsaufnahme und berichten von Schwierigkeiten bei längerem Sprechen. Nicht zuletzt ist auch die Toleranz der Schleimhaut gegenüber herausnehmbarem Zahnersatz deutlich herabgesetzt. Die Therapie der Xerostomie umfasst Maßnahmen zur Steigerung des Speichelflusses wie Kauen von Kaugummis, die regelmäßige Zufuhr von Flüssigkeit und nicht zuletzt auch die Gabe von Sialogoga wie Pilocarpin oder Cevimelin. Des Weiteren sollten zur Kariesprophylaxe topische Fluoride Anwendung finden. Bei einem sekundären Sjögren-Syndrom richtet sich die Behandlungsindikation nach der Grunderkrankung. Aufgrund der hohen Komplexität sollte die Therapie in einem interdisziplinären Team erfolgen [Manfrè et al., 2020]. Besteht eine chronische Schwellung der Speicheldrüsen, kann die Entfernung des betroffenen Drüsengewebes als eine Therapieoption diskutiert werden. Mögliche Indikationen für diesen Eingriff sind kosmetische Gründe, chronische Schmerzen oder der Verdacht auf das Vorliegen eines Non-Hodgkin-Lymphoms. Aufgrund der engen Lagebeziehung zum Plexus intraparotideus des Nervus facialis birgt dieser Eingriff jedoch die Gefahr der Facialisparese, daher sollte eine chirurgische Intervention sorgfältig erwogen und geplant werden [E. Stennert, 2001]. Die Lebenserwartung von Patienten mit einem sekundären Sjögren-Syndrom hängt im Wesentlichen von der auslösenden Grunderkrankung ab, während Patienten mit einem primären Sjögren-Syndrom eine Lebenszeitprognose vergleichbar mit der der Normalbevölkerung aufweisen. In der zahnärztlichen Praxis sollte vor allem auf eine ausführliche Beratung des Patienten im Hinblick auf kariespräventive Maßnahmen – überdurchschnittliche Mundhygiene, regelmäßige Fluoridierung, Nikotinkarenz und die additive Nutzung von Sialogoga – Wert gelegt werden. \ FAZIT FÜR DIE PRAXIS \ Nicht selten kommt es beim Sjögren-Syndrom durch die Leitsymptomatik der Xerostomie zur Erstvorstellung des Patienten beim Hauszahnarzt. Gründe sind meist Folgeerscheinungen durch den verminderten Speichelfluss wie eine vermehrte Kariesanfälligkeit oder lokale Infektionen der Mundhöhle. \ Eine länger als drei Monate anhaltende Trockenheit des Mundes und der Augen sollten nach Ausschluss anderer Ursachen an ein Sjögren-Syndrom denken lassen. \ 0,4 Prozent der Deutschen sind vom Sjögren-Syndrom betroffen; die Prävalenz liegt bei Frauen viel höher als bei Männern. \ Die Symptome können vielschichtig sein: Neben der typischen Leittrias aus Xerostomie, Xerophthalmie und Arthralgie sind auch Fatigue, Lungen- und Nierenschäden sowie periphere Neuropathien typische Anzeichen. \ Beim Verdacht auf Sjögren-Syndrom ist eine Überweisung zu einem Rheumatologen indiziert, um eventuelle systemische Grunderkrankungen frühzeitig zu diagnostizieren. \ Die Therapie erfolgt nur symptomatisch, ist jedoch essenziell für den Erhalt der Lebensqualität der Patienten. CME AUF ZM-ONLINE Das Sjögren-Syndrom – eine chronischentzündliche Autoimmunerkrankung Für eine erfolgreich gelöste Fortbildung erhalten Sie zwei CME-Punkte der BZÄK/ DGZMK. 26 | ZAHNMEDIZIN

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