zm112, Nr. 7, 1.4.2022, (628) Als nach fünf Tagen die Evakuierung aufgehoben wurde, kamen alle nicht vom Hochwasser selbst betroffenen Mitarbeiterinnen mit ihren Gatten, Eltern und Freunden. Alle halfen beim Aufräumen im Erdgeschoss, während der Keller von der Feuerwehr leergepumpt wurde. Am Ende schleppten sie alles aus dem Haus, entfernten den Schlamm und fingen an zu putzen. „Wir erfuhren eine unglaubliche Hilfsbereitschaft von unseren Familien und Freunden, aber auch von unserem Team, deren Familien und sogar von völlig fremden Menschen“, berichtet Paterno. Eine ganze Woche dauerte das Ausräumen und das Entfernen des Schlamms. BEHANDELT WURDE IM SCHICHTSYSTEM Eine weitere Woche gestalteten die Helfer die Praxisräume im 1. Obergeschoss mit vier Behandlungszimmern so um, dass dort bereits am 2. August in einem Schichtsystem von 6.30 bis 21 Uhr gearbeitet werden konnte. „Es war eine unglaublich anstrengende Zeit für alle. Es war alles sehr eng, es gab keinen Sozialraum und anstrengende Arbeitszeiten“, sagt der Zahnarzt heute. Das größte Problem sei für ihn und seine Frau am Anfang die finanzielle Unsicherheit gewesen, erzählt er. Woher die Kraft zum Weitermachen nehmen? Wie mit der Unsicherheit für das Personal umgehen? „Können wir das finanziell stemmen? Können „BIS ZUM 14. JULI WAR UNSERE WELT IN ORDNUNG“ Zahnarztpraxis Sara Fritz-Schmalfuß, Rheinbach, Praxisbestehen seit 1975, 2015 Übernahme vom Vater, 200 qm, vier Behandlungszimmer, zwei Zahnärztinnen, zehn Mitarbeiterinnen, Schaden: etwa 120.000 Euro, Spenden: 6.892 Euro „Bis zum 14. Juli 2021 war unsere Welt in Ordnung: Ich hatte die Praxis von meinem Vater übernommen, der Umbau war abgeschlossen, das Team toll zusammengewachsen, keine weiteren Sorgen. Dann kam die Flut. Das Labor, die Maschinenräume mit Server, die Umkleide, die Personaltoiletten und das Lager waren betroffen. Das Wasser kam aus sämtlichen Abflüssen hoch und floss in die Kellerräume. Kurz bekam ich Panik, wollte Freunde anrufen und um Hilfe bitten. Ich erreichte keinen! Es gab keinen Handyempfang. So stand ich allein im Wasser, das stetig stieg, und war den Tränen nahe. Nachrichten kamen nur zögerlich durch, Strom war weg, dafür war das Martinshorn drei Tage permanent zu hören – die Einsatzkräfte im Dauereinsatz! Als die Kammer anrief, um den Betrieb als nicht einsatzfähig zu melden, wurde ich gefragt, wie lange ich denn wohl geschlossen hätte. Unter Tränen musste ich erklären, wie es hier drum herum aussah. Dass Menschen gestorben waren oder vermisst wurden, dass keiner Strom hatte und hier erstmal für sehr lange Zeit nichts mehr gehen würde. Bis heute ist die Renovierung nicht abgeschlossen. Die Kosten steigen immer weiter und ich bin sehr dankbar, dass die Kollegenschaft eine solche Unterstützung geleistet hat. Ohne sie wären wir noch lange nicht so weit wie wir es jetzt sind.“ Und das tagelange Ausräumen des Schrotts (hier Karteikarten) begann. Später pumpte die Essener Feuerwehr den Hauskeller leer. 38 | POLITIK
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