Zahnärztliche Mitteilungen Nr. 7

zm112, Nr. 7, 1.4.2022, (634) Von vielen wird etwas, das dreimal oder öfter zugelassen wurde, quasi als erlaubt betrachtet. Dabei geht es nicht darum, jede Abweichung sofort zu sanktionieren. Allerdings wäre es sinnvoll gewesen, bei der ersten Wiederholung einzugreifen. Warten Sie also nicht zu lang! Spätestens beim zweiten Fehlverhalten von Lisa wäre eine kurze sachliche Rückmeldung angezeigt gewesen und hätte zur Zufriedenheit im Team beigetragen. Studien mit mehr als 900 Probanden haben ergeben, dass fehlendes konstruktiv-kritisches Feedback wesentlich die Arbeitsfreude reduziert. Der Einfluss war erstaunlicherweise sogar etwas stärker als beim Fehlen von rein positivem Feedback. Generell gibt es zwei gegenläufige Tendenzen: Einerseits führt das Autonomiebedürfnis dazu, die eigene Freiheit so weit wie möglich ausleben zu wollen. Auf der anderen Seite besteht der Wunsch, im Team dazuzugehören, angesehen zu sein und gute Beziehungen zu haben. Dabei gibt es Menschen, die von ihrer Grundeinstellung her eine höhere Akzeptanz und Umsetzungsbereitschaft für Regeln haben. Andere hingegen besitzen einen stärkeren Freiheitsdrang. Das sind dann diejenigen, die die Regeln regelmäßig testen – und die entsprechend regelmäßig konstruktiv-kritisches Feedback benötigen. Um das Verhalten auf Dauer zu verändern, ist es nützlich, die Intensität der Rückmeldung zu dosieren und mit der geringsten emotionalen Intensität zu beginnen. Bei einem unerwünschten Verhalten sofort massiv und emotional in die Konfrontation zu gehen, ist nicht sinnvoll. Falls es danach noch einmal zu einem entsprechenden Vorfall kommt, hat man keine adäquaten Steigerungsmöglichkeiten mehr. KEINE BLOßSTELLUNGEN VOR DEM GESAMTEN TEAM Falls ein unerwünschtes Verhalten bisher toleriert wurde, könnte im Beispiel von Lisa die erste Feedbackstufe sein, dass die Zahnärztin sie direkt leise anspricht und ihr beispielsweise sagt: „Lisa, ich sehe gerade, dass es 8:07 Uhr ist. Bitte seien Sie morgens um 8 Uhr hier.“ Manchmal reicht es auch nur, darauf hinzuweisen, wie spät es aktuell ist. Dieser einfache Hinweis auf die Abweichung von der Norm zeigt den Mitarbeitenden, dass das unerwünschte Verhalten sehr wohl wahrgenommen wird. Für viele reicht dieses Bewusstsein völlig aus, um deren Verhalten zu ändern. Im Fall einer eventuellen weiteren Verspätung, kann man die Intensität der Rückmeldung dann steigern, indem man auf die Verletzung eines eigenen Wertes hinweist. Zum Beispiel so: „Lisa, es ist 8:07 Uhr. Mir ist wichtig, dass wir morgens als Team gemeinsam pünktlich anfangen. Bitte achten Sie darauf, dass Sie spätestens um 8 Uhr hier sind.“ Ein derartiges Feedback ruft meistens ein „Ja, okay!“ oder eine Entschuldigung hervor. Wichtig ist, in solchen Fällen darauf zu achten, dass möglichst keine weitere Person zuhört. Spätestens in dem Moment, wenn ein kritisches Feedback nicht mehr nur eine reine Sachinformation beinhaltet, fühlt sich die kritisierte Person durch weitere Zuhörende bloßgestellt und beschämt. Scham ist ein schwer auszuhaltendes Gefühl und kann bei leicht kränkbaren Personen sogar dazu führen, dass sie – temporär durch Krankheit oder dauerhaft – das Team verlassen. Daher gilt die Grundregel, kritische Feedbackgespräche nur unter vier Augen zu führen. Natürlich garantiert auch ein werteorientiertes Feedback nicht, dass das unerwünschte Verhalten endgültig unterbleibt. Falls erforderlich, kann man in der nächsten Stufe das Feedback mit einer Interpretation erweitern. „Lisa, es ist 8:07 Uhr. Wie bereits gesagt, ist mir sehr wichtig, dass wir morgens als Team gemeinsam pünktlich anfangen. Ich habe den Eindruck, dass Sie das nicht ernst nehmen! Bitte sorgen Sie dafür, dass Sie spätestens um 8 Uhr hier sind.“ ES GILT: WER SCHREIT, HAT UNRECHT Sollte danach noch eine weitere Steigerung erforderlich werden, kann das durch das Verbalisieren der eigenen Emotionen geschehen. Dabei geht es nicht darum, das Gefühl auszuleben – also zum Beispiel zu schimpfen oder laut zu werden. Das wäre im Zusammenspiel mit einem Feedback kontraproduktiv. Generell ist kritisches Feedback ist eine gezielte kognitive Rückmeldung zu einem unerwünschten oder ungeeigneten Verhalten. In dem Moment, wenn diese Form nicht mehr eingehalten wird, verliert das Feedback massiv an Wirkung – frei nach dem Motto „Wer schreit, hat unrecht“. Die Rückmeldung wird dann nicht mehr als Hinweis auf eine notwendige Verhaltensänderung, sondern als Angriff erlebt. Angriffe lösen Verteidigung, keine Änderungsbereitschaft aus. Wenn Sie dagegen ihre Gefühle unter Kontrolle haben und diese gleichzeitig klar benennen, hat das eine wesentlich stärkere Wirkung. Im Zusammenhang mit dem oben angeführten Beispiel würde das so klingen: „Lisa es ist 8:07 Uhr! Sie wissen, dass es mir ausgesprochen wichtig ist, dass wir gemeinsam pünktlich anfangen! Wir haben darüber bereits dreimal gesprochen. Ich bin echt verärgert über Ihre erneute Verspätung. Wie wollen Sie sicherstellen, dass sie ab jetzt pünktlich sind?“ Dieses Beispiel enthält noch einen weiteren Aspekt: die Frage am Abschluss! Sie erfordert von Lisa eine Erklärung, wie sie das DR. MED. DENT. ANKE HANDROCK Praxiscoach, Lehrtrainerin für Hypnose (DGZH), NLP, Positive Psychologie, Coaching und Mediation, Speakerin und Autorin anke@handrock.de Foto: Peter Adamik 44 | PRAXIS

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