zm112, Nr. 7, 1.4.2022, (642) zwischen Mund-, Kiefer- und Gesichtschirurgie sowie der behandelnden Kieferorthopädin – durch Ligatur des geklebten Brackets an den eingesetzten Stahlbogen zu kompensieren. Es folgte die erneute Besprechung des zu erwartenden Operationsergebnisses und der Risiken mit der Patientin. Gemeinsam wurde der Entschluss zur operativen Therapie gefällt. In Intubationsnarkose wurde über einen marginalen Schnitt die vestibuläre, anteriore Maxilla dargestellt. Aufgrund der notwendigen Beurteilung der Segmentdurchblutung wurde bewusst auf die Injektion eines Vasokonstringenz verzichtet. Dann folgten die planungsgerechte piezoelektrische Osteotomie des Einzelzahnsegments sowie die Entfernung des voraussichtlich störenden mesialen Knochenstücks (Abbildung 4). Der Nasenboden konnte sicher geschont werden. Das osteotomierte Segment zeigte sich an der palatinalen Schleimhaut gestielt mobil und gut durchblutet. Daraufhin wurde der zuvor ausgewählte und individuell am 3-D-Patientenmodell angepasste Distraktor eingebracht (Abbildung 4) und die Wunde nach Ausleiten der Distraktionsschraube nach intraoral durch transpapilläre Nähte verschlossen. Postoperativ zeigte sich eine ausgeprägte Schwellung, begleitet von einem extraoral sichtbaren Hämatom im Bereich der Wangen und der Lippen. Ab dem fünften postoperativen Tag begann die Distraktion um 0,1 mm täglich. Die Distraktion wurde unter engmaschiger kieferorthopädischer und mund-, kieferund gesichtschirurgischer Kontrolle durchgeführt. Im Verlauf des Distraktionsprozesses zeigte sich die schon präoperativ vermutete Problematik der nach palatinal abweichenden Inzisalkante. Nach Aufbringen von distalen Aufbissen zur Entlastung des Zahnes 11 sowie der schrittweisen Ligatur des Brackets 11 mittels Lassomechaniken an den Stahlbogen mit Hook-Konstruktionen zur Herstellung eines Hypomochlions konnte die Palatinalbewegung des Zahnes 11 suffizient antagonisiert werden. Nach Erreichen der designierten Endposition erfolgte eine sechswöchige Haltephase. Der Distraktor wurde in Allgemeinanästhesie explantiert und die noch in situ befindlichen Weisheitszähne durch Osteotomie entfernt. Postoperativ zeigte sich nach vollständiger Abheilung ein ausgezeichnetes Distraktionsergebnis. Die im Verlauf angefertigten Röntgenaufnahmen bestätigten das Ergebnis (Abbildung 5). Nach Abschluss der kieferorthopädischen Behandlung erfolgten noch die Konturierung der Schneidekanten und die Eingliederung von festsitzenden Dauerkleberetainern in Oberund Unterkiefer. Darüber hinaus wurden herausnehmbare Retentionsgeräte für die Nacht angefertigt. Die Gesamtbehandlungsdauer betrug zwei Jahre. In der klinischen Abschlusskontrolle zeigte sich die Patientin mit dem Endergebnis (Abbildung 6) ausgesprochen zufrieden. DISKUSSION Als Ankylose von Zähnen wird die pathologische Verwachsung der Zahnhartsubstanz mit dem umliegenden Knochen der Alveole bezeichnet. Besonders im Frontzahnbereich sind dentale Traumata mit Zahnreplantationen nach Avulsion sowie traumatische Zahnintrusionen die häufigsten Gründe für das Entstehen einer Ankylose [Campbell et al., 2005]. Es wird angenommen, dass der zugrunde liegende Pathomechanismus auf einem partiellen oder vollständigen Absterben der parodontalen Fasern mit einem konsekutiven Umbauprozess und sekundärer ossärer Integration beruht. Im Rahmen des physiologischen Remodellings des Knochens scheint es daraufhin zu Resorptionen kommen zu können [Andersson, 1984]. Ein bei jungen Patienten vorliegender schnellerer Knochenstoffwechsel wird als ursächlich für eine besonders ausgeprägte Wurzelresorptionstendenz angenommen [Campbell et al., 2005]. Die definitive Diagnose einer Ankylose kann in einigen Fällen ausAbb. 5: Bildgebungen im Behandlungsverlauf: während der kieferorthopädischen Behandlung, nach Einsetzen des Distraktors, zum Ende der Distraktion und nach Behandlungsabschluss (v. o. n. u.). Quelle: Alexander Zeller, MHH DR. MED. HOLGER MOYSICH Klinik und Poliklinik für Mund-, Kiefer- und Gesichtschirurgie, Medizinische Hochschule Hannover Carl-Neuberg Str. 1, 30625 Hannover Foto: Viola Pawlaczyk 52 | ZAHNMEDIZIN
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