schreiben. Der Erwerb eines Doktorgrads an der medizinischen Fakultät war somit ausgeschlossen; als einzige Alternative verblieb der Dr. phil. [Groß, 2019d, 49–51]. Ein Etappensieg im Akademisierungsprozess stellte das 1869 erstmals eingeführte „Reglement für die Prüfung der Zahnärzte im Gebiet des Norddeutschen Bundes“ dar. Gefordert wurde nun die Primareife eines Gymnasiums oder einer Realschule erster Ordnung. Ergänzt wurde diese Direktive durch die Verpflichtung eines zweijährigen Universitätsbesuchs und entsprechender praktischer Übungen. Nach der Reichsgründung 1871 wurde diese Prüfungsordnung im ganzen Reichsgebiet verpflichtend. Als logische Ergänzung folgte 1873 ein Ministeriumserlass, der die Immatrikulation der Studenten der Zahnheilkunde „auch ohne Zeugnis der Reife“ möglich machte [Reckow, 1927, 23]. Zeitgleich waren die Professionalisierung und die Akademisierung der Zahnärzteschaft in den USA bereits weit vorangeschritten. Dort wurde 1840 die weltweit erste zahnärztliche Ausbildungsstätte gegründet, das „Baltimore College of Dental Surgery“. Bereits ein Jahr später folgte die Möglichkeit den facheigenen „Doctor of Dental Surgery“ (DDS) zu erlangen [Kuhlmann,1996, 59; Groß, 2019b, 18f.]. Der Erwerb amerikanischer Doktorgrade wurde für Zahnärzte auch aus Deutschland so attraktiv, dass sich in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts auch unseriöse Titelmühlen in den USA etablierten, worunter die Reputation des DDS nachhaltig leiden sollte [Groß, 2015a,]. MIT DER KURIERFREIHEIT KAMEN DIE ZAHNKÜNSTLER Parallel zu den geschilderten Entwicklungen ereignete sich die „Freigabe der Heilkunde“ 1869, zuerst im Norddeutschen Bund, dann mit der Gründung des Deutschen Reichs 1872 dort. Mit der Kurierfreiheit durften auch Laien, unabhängig vom Ausbildungsniveau, medizinische Behandlungen durchführen; nur das Firmieren als Arzt oder Zahnarzt blieb ihnen verwehrt [Groß, 2005, 815]. Dies betraf auch die Zahnheilkunde. Die Liberalisierung der Heilkunde führte in der Folge zu einem massiven Anstieg an Laienheilkundigen, wie das Verhältnis zwischen nichtapprobierten Zahnbehandlern und approbierten Zahnärzten im Deutschen Reich zwischen 1878 und 1920 eindrucksvoll belegt (Grafik). Während die Zahl der Zahnkünstler, wie die nicht-approbierten Zahnbehandler auch genannt wurden, für diesen Zeitraum von 735 auf 11.000 anstieg, vergrößerte sich der Anteil der Zahnärzte lediglich von 438 auf 4.459. Schon die zahlenmäßige Dominanz der Zahnkünstler macht deutlich, welche Bedeutung dem Berufsstand beizumessen war [Groß, 2015b, 78]. Während die Freigabe der Heilberufe für die Zahnärzte vordergründig vor allem Nachteile brachte, zwang sie die Zahnärzteschaft gleichzeitig zur Selbstbehauptung und zu weiterer wissenschaftlicher Etablierung [Kuhlmann, 1996, 56.]. Auf seiner Jahrestagung in München (1888) verabschiedet der „CentralVerein deutscher Zahnärzte“ (CVdZ), die Vorgängerorganisation der DeutFoto: BZÄK/Samml. Proskauer/Witt (1952) zm112, Nr. 7, 1.4.2022, (659) GESELLSCHAFT | 69 www.ich-bin-endo.de © 12/2021 · 10012807v.002 ProcodileQ. Eine neue Dimension der Sicherheit. Kernkompetenz, weiter gedacht.
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